Dem Ruf der Berufung gefolgt – ‚Alperose müesse das gsi si ...’

  20.11.2019 Saisonmagazin

Zu Besuch beim Jungsenn und Alpkäser Joël Reuteler (21) auf der Ober-Zettenalp, unterhalb des Sigriswiler Grates – wo der Sommer hundert Tage lang, die Tradition fest verankert und heute vieles einfacher ist als früher.

Vor rund 17 Jahren kam der Schwandener Joël Reuteler, damals viereinhalb jährig, das erste Mal im Sommer mit seinen Eltern auf einer Wanderung auf die Ober-Zettenalp. Der kleine Bub war vom Alpbetrieb tief beeindruckt. Fast so, als ob er sich an etwas erinnerte. Dies, obschon die Eltern keinen eigenen Bauernbetrieb führten. Joël war von der Alp nicht mehr wegzubringen und wollte bei den beiden ihm unbekannten Sennen bleiben. Die Erwachsenen kannten sich und waren von der Begeisterung des Dreikäsehochs überrascht und erfreut zugleich. Man holte, was nötig war, und Joël blieb eineinhalb Wochen. Seit da verging für ihn kein Sommer ohne Alpluft. Was ihn da rufe, will ich vom gelernten Fachmann Betriebsunterhalt Werkdienst auf dem Bänkli vor der Alphütte wissen
– die Alpenrosen sind es jedenfalls nicht: «An meinen allerersten Alpsommer habe ich nur noch wenig Erinnerung. Doch war ich von der Landwirtschaft und ihren Tieren immer schon angezogen. Ich half in meiner Freizeit auch im Dorf gerne den Bauern in der Nachbarschaft. Einfach weil es mir gefällt.»

Käsen aus Leidenschaft
Nach dem Kaffee – es ist kurz vor halb neun Uhr – geht es in die blitzblanke Alpkäserei in der Hütte, wo das Feuer brutzelt und die Kuhmilch vom Morgen im modernen Kupferkessi indirekt mit Dampf punktgenau erhitzt.
Joël Reuteler und Senn-Kollege Adrian Gerber haben zuvor die 37 Milchkühe gemolken. Der Tag begann um 04.30 Uhr. «Seit 40 Jahren macht man das hier mit der Melkmaschine – von Hand hatte man früher drei Stunden für das Melken», erzählt Joël voller Ehrfurcht. Heute wie damals gilt die Regel: zehn Liter Milch geben ein Kilogramm Käse. In einem durchschnittlichen Alpsommer von hundert Tagen produzieren die Sennen hier auf gut 1500 Metern über Meer etwa vier Tonnen Alpkäse – das sind um die 420 Laibe. Und das Käsen hat es Joël besonders angetan. Mit viel Freude und grosser Genauigkeit rückt er ‚seinem’ Käse zu Leibe. Fast schon akrobatisch wie er den ‚Bruch’ bis zum Letzten im Käsetuch aus dem Kessi hievt und danach schnell in die Form presst. Täglich schmiert Joël nach dem Käsen alle gelagerten Käselaibe mit Salzwasser. «Am liebsten mag ich den Käse jung bis einjährig – davon kann ich jeden Tag ‚schnouse’», bekennt der stolze Alpkäser und Tambour schmunzelnd. Sein zweiter Alpsommer in dieser Verantwortung nähert sich dem Höhepunkt.

Glanzpunkt – ‚Chästeilet’
Ein ganz normaler Alpmorgen ist minutiös geplant. Die Nachmittage sind freier. «Es gibt immer zu tun. Schon als Kind hatte ich den Traum, selber hochzukommen. Ich habe auch eigene Tiere mitgebracht – drei Hennen, einen Hahn, sechs Hasen und die zwei Laufenten meiner Freundin.» Neben den Milchkühen versorgen die Sennen zehn Ziegen – der Verdienst der verkästen Geissmilch kommt ihnen zugute. «Im Sommer leben wir vom Verkauf des Geisskäs’ an Wanderer und Touristen. Im Herbst ziehen wir Bilanz: Was noch übrig bleibt, teilen wir auf.» Den Sennenlohn, so will es die Tradition, gibt es mit der Bergrechnung, heuer: am 2. November. Es gebe viele schöne Momente auf der Alp – mit den Tieren, den Stimmungen in der Natur, schwärmt Joël. Doch das Highlight ist für ihn Mitte September: der ‚Chästeilet’ auf der Ober-Zettenalp. Wenn alle goldgelben Käselaibe auf Beigen präsentiert werden, und die ertragreichsten Kühe den ‚Maien’ aus Tannli und Blumen – die Gehörnten als Kopfkranz und die Hornlosen als Bauchgurt-Schmuck tragen. Joël schwelgt: «Das ist ein Freudentag, doch hält er auch ein ‚es grännends Oug’ parat: Weil die Kühe dann hinunterziehen und das Schöne wieder vorbei ist.»


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