Der Wald von heute im Wandel für morgen

  18.01.2024 Reportagen

Klimaerwärmung und zunehmende Trockenheit setzen dem Wald zu. Obwohl er sich seit Urzeiten an Gegebenheiten anpasst, stellt sich die Frage, ob er zukünftig die Leistungen erbringen kann, die wir heute von ihm erwarten. Vom Revierförster und stellvertretenden Betriebsleiter des Forstbetriebs Sigriswil Beat Reber erfahren wir mehr über die Herausforderungen und Lösungsansätze.

«Ich wünsche mir für den Wald der Zukunft, dass man rückblickend in hundert Jahren sagen wird, wir hätten heute die richtigen Massnahmen getroffen», so der Revierförster und stellvertretende Betriebsleiter des Forstbetriebs Sigriswil Beat Reber. Die Forstleute sind sich nicht nur in der Schweiz einig: Der rasch voranschreitende Klimawandel ist die grösste Herausforderung für den Wald. Trockenheit, Stürme und Starkniederschläge setzen ihm zu. Zudem bestehen vor allem in höheren Lagen Verjüngungsrückstände, was den Wald besonders anfällig für Veränderungen macht. Diese sind heute schon schweizweit an klimasensiblen Standorten sichtbar. Die Wissenschaftler:innen und Klimaforscher:innen befassen sich seit einiger Zeit damit, wie der Schweizer Wald in Zukunft aussehen könnte. Die Hinweiskarte des BAFU bietet Aufschluss, wie sich die Waldstandorte bis im Jahr 2085 entwickeln könnten (siehe Geoportal-Link am Ende dieses Beitrags).

Herausforderungen und Lösungsansätze
Beat Reber nennt einige Einflüsse der Klimaerwärmung im Wald: Durch die extreme Hitze im Sommer 2023 ist bei vielen Buchen das Laub verdorrt und dies vor dem Abschluss des Wachstums (im Bild unten rechts). Das hat zur Folge, «dass viele Äste im Folgejahr absterben und herunterfallen werden, teilweise sogar der ganze Baum.» Gerade im Erholungswald ist das sehr gefährlich für Waldbesucher:innen, weil unerwartet grosse Äste herunterfallen können. Ausserdem beobachten der Revierförster und sein Team: Eichenansamung auf 1300 Meter über Meer. Das heisst: «Bäume, die bis anhin vor allem in unteren Höhenstufen vorkommen, wandern durch die Klimaerwärmung immer weiter nach oben.» Die typischen Mittelländer Baumarten wie zum Beispiel Eiche, Nussbaum, Linde und Ahorn werden absehbar bei uns stärker vertreten sein. Parallel dazu werden sich aber Buche, Weisstanne und Fichte vermehrt in höheren Lagen ansiedeln. Als ergänzende Zukunftsbäume im Wald sieht er unter anderem: Douglasie, Edelkastanie und Roteiche.

Der Wald bietet vielen Lebewesen einen Platz. Er ist wertvoller Lebensraum für rund 40 Prozent aller in der Schweiz vorkommenden Pflanzen- und Tierarten. Zugleich erfüllen Waldgebiete vielfältige Ansprüche der Gesellschaft: von Schutz über Holzproduktion und Erholungsraum bis zu Luftfilterung und CO2-Bindung. Der Thuner Amtsanzeiger berichtete bereits am 23. Juni 2023: «Der Bergwald ist unser Schutzwald».

Beat Reber hat für Waldbesitzer:innen ein interessantes lösungsorientiertes Angebot, das «KLIfit-Abo» geschaffen. In seinem beim Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) eingereichten Projektpapier hält er fest: Die Waldveränderung durch die Klimaerwärmung wird sich in den nächsten 20 Jahren regional sehr unterschiedlich äussern. Aktuell bereits sichtbare Veränderungen gibt es an den südexponierten Hängen des nördlichen Thunerseeufers. Sie gelten als klimasensibel. Hier haben viele heute noch als standortgerecht geltende Baumarten wie Tanne oder Buche mit einer hohen Mortalität im Baumholzalter zu kämpfen. Die Südexposition und die steilen, flachgründigen Hänge sind hauptsächliche Ursachen. Sind die Niederschlagsmengen in der Vegetationsperiode (Frühling und Sommer) tief, so haben die Bäume knapp Wasser und leiden unter Trockenstress. Das «KLIfit»-Abo richtet sich an: Private, Einwohner- und Burgergemeinden, Alpgenossenschaften.

Fitnessabo für den Wald
Für die Projektidee «KLIfit»-Abo erhielt der Forstbetrieb Sigriswil vom AWN einen Innovationspreis. Durch die leichte Verständlichkeit liesse sich eine grosse Wirkung hin zu einer langfristigen Bewirtschaftung erwarten, so die Begründung. Zudem sei dies für die Anpassung der Wälder: «ein Schlüssel zum Erfolg und ein wichtiger Bestandteil der Waldvision 2100.» Beat Reber ist überzeugt: «Damit sich der Wald der Zukunft richtig und nachhaltig entwickeln kann, braucht es gezielte Unterstützung.» Sein Forstbetrieb bietet für Waldbesitzer:innen ab sofort das «KLIfit»-Abo an. Dieses fokussiert sich auf die jeweilige Vorrangfunktion des Waldes: Holzproduktion, Schutz, Biodiversität oder Erholung und die regionalen Gegebenheiten der entsprechenden Waldfläche.

Die Burgergemeinde Hilterfingen hat bereits in der Pilotphase ein «KLIfit-Abo» gelöst. Der örtliche Vertragsperimeter umfasst Wald mit der Vorrangfunktion Erholung. Zentraler Bestandteil des Abos ist die Ist-Analyse, woraus der Forstbetrieb die Massnahmen ableitet. «Es kann auch sein, dass man nichts unternehmen muss – denn: dem Wald geht es nicht überall schlecht», so der Revierförster. Bei der betrieblichen Beratung werden die Bedürfnisse der Waldbesitzer:innen, örtliche Gegebenheiten und Erkenntnisse aus der Forschung berücksichtigt. Zudem wird mit den Waldbesitzer:innen festgelegt, welche Funktion Vorrang haben soll.

Für Hilterfingen gingen diese Massnahmen hervor: Als waldbauliche Ansprache für die Bevölkerung mit Fokus auf die klimatische Veränderung wurde ein Waldlehrpfad mit Baum- und Straucharten von heute und morgen konzipiert. Im Februar 2024 steht der Holzschlag zugunsten der Verjüngung im Klimawandel auf dem Programm. Ausserdem werden Hilterfinger Schulklassen Ende April 2024 beim pflanzen von Zukunftsbaumarten mithelfen. «Die Schulklassen pflanzen dann eine Woche lang mit Personal von uns in der Holzschlagfläche Bäume», informiert Beat Reber. Das Abo beinhaltet auch eine Erfolgskontrolle: Die Wirkung wird laufend beobachtet und im Jahr 2030 betrieblich überprüft.

Die Zukunft gehört der Vielfalt
Die Veränderungen sind in vollem Gange – noch ist ungewiss, wie rasch und in welcher Form sie insgesamt eintreten werden. Wälder, die vielfältige Strukturen und eine breite, natürliche Artenzusammensetzung aufweisen, haben gute Voraussetzungen. Die Vielfalt einheimischer Baumarten bietet auch solche, die gut mit Trockenheit und Hitze umgehen können. Entscheidend ist neben lenkenden und gezielten Massnahmen wie denen im «KLIfit-Abo» die Vielfalt, denn sie schafft den Spielraum, um den Wald fit für den Menschen und fit für die Zukunft zu halten. Barbara Marty

Weitere Informationen www.forstbetrieb-sigriswil.ch www.map.geo.admin.ch: mässig trocken

 


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