Bei Wacker Thun fehlt die Konstanz – viel Licht, aber auch Schatten

  02.11.2023 Sport-Reportagen

Wacker Thun ist zusammen mit dem FC Thun Berner Oberland der populärste Sportverein zwischen Thunersee und Eiger, Mönch und Jungfrau. Seit mehr als 50 Jahren pflegt der Klub den Handballsport, seit dem Aufstieg in die Nationalliga A im Jahr 1988 äusserst erfolgreich mit zwei Meistertiteln und sechs Cupsiegen.

Nach einer Playoff-Halbfinal-Qualifikation in der Saison 2021/22 und dem Ausscheiden im Playoff-Viertelfinal 2022/23 tun sich die Thuner in der laufenden Meisterschaft schwer. Drei Siegen (zuletzt gegen den Kantonsrivalen aus Bern) und zwei Unentschieden stehen sechs Niederlagen gegenüber – Platz 8 mit acht Punkten aber nur zwei Zählern Rückstand auf den Fünften, St. Otmar St. Gallen, ist für die hohen Ansprüche zu wenig, auch wenn dies dem vor der Saison gesteckten Minimalziel entspricht.

Der Rücktritt von Lukas von Deschwanden

Wacker Thun befindet sich im Umbruch, die Mannschaft ist jung und unerfahren und muss die Rücktritte verschiedener Schlüsselspieler Ende vergangener Saison zuerst einmal verkraften. Spürbar fehlt vor allem der Torschütze vom Dienst und Regisseur aus dem Rückraum, Lukas von Deschwanden, von allen nur «Uri» genannt, weil er aus Altdorf stammt und genau so treffsicher war wie Wilhelm Tell, dessen Denkmal das Zentrum des Hauptorts des Kantons Uri ziert.
«Es bringt uns nicht weiter, wenn wir über sein Fehlen lamentieren, denn wir wussten, dass es eines Tages soweit sein wird», sagt Remo Badertscher, im drittem Jahr Cheftrainer bei Wacker. «Er hat oft eine Partie mit wichtigen Toren für uns entschieden, jetzt wünsche ich mir, dass einige Spieler, die durchaus die Qualitäten dafür besitzen, in die Lücke springen und dies nicht als Druck, sondern als Chance sehen.»

Auf und Ab auch während den Spielen

Das Fehlen der Routiniers – auch Jannick Sorgen, Dario Lüthi und Jonas Dähler hängten ihre Schuhe im Sommer an den Nagel – ist wohl Grund für die Inkonstanz, die dem Wacker-Spiel noch anhaftet. Remo Badertscher: «Bei uns wechseln Licht und Schatten, auch während der Spiele, in bunter Folge. Oft haben wir sehr gute Phasen, handkehrum fallen wir wieder weit unter unser Level. Diese Schwankungen gilt es auszumerzen.»

Willkommene Pause

Vor dem nächsten Spiel am Samstag, 11. November in der Lachenhalle gegen Pfadi Winterthur (17 Uhr), hatten die Spieler von Wacker Zeit, an Details zu feilen, weil die Nationalmannschaft an einem Vierländerturnier in Hammamet (Tunesien) im Einsatz steht und die Meisterschaft ruht. «In zwei Wochen kann man nicht alles ändern, doch es tat den Spielern sicher gut, dass sie den Kopf ein bisschen lüften und auf andere Gedanken kommen konnten», so Remo Badertscher. Der Coach, der an der Oberstufe in Spiez seit 14 Jahren als Klassenlehrer auf Sekundarstufe Mathematik, Naturwissenschaften und Sport unterrichtet, hat seitdem er die Nachfolge Martin Rubins übernahm, sein Pensum auf 70 Prozent reduziert. Der Wacker-Coach sieht zwischen seinen Tätigkeiten als Lehrer und Trainer durchaus Gemeinsamkeiten. «Man muss Menschen gerne haben, denn eine schlechte Beziehung wirkt sich nicht leistungsfördernd aus, das ist in der Schule nicht anders als im Sport.»
Wann Wacker wieder an die Glanzzeiten anknüpfen kann, wird sich zeigen, das Team benötigt sicher etwas Zeit, um wieder um Titel mitspielen zu können. Das in diesem Jahrtausend erfolgreichste Team aus dem Kanton – der letzte Titelgewinn des BSV Bern liegt 38 Jahre zurück, Wacker dagegen liess sich 2013 und 2018 als Meister feiern – hat durchaus das Potenzial, wieder ganz vorne mitzuspielen.

Cedric Manses Lob

Der vor einem Jahr vom TV Steffisburg zu Wacker gestossene Rückraumspieler Cedric Manse ist des Lobes voll, nicht allein über die perfekte Stimmung, die in der Wacker-Familie herrscht, sondern auch über die Arbeit von Cheftrainer Remo Badertscher. «Er ist als Trainer sehr authentisch, die Trainings haben Hand und Fuss, er schenkt den Spielern Vertrauen, beschäftigt sich mit jedem Einzelnen und zeigt auf, wo man sich noch verbessern kann.»
Als Regisseur im Rückraum und Topskorer hat Cedric Manse auch viel Verantwortung übernommen. «Lukas von Deschwanden lässt sich nicht 1:1 ersetzen, das ist klar, verschiedene Spieler müssen nach seinem Rücktritt mehr Führungsaufgaben übernehmen.» Was den bisherigen Saisonverlauf betrifft, meint Manse: «Es war zu erwarten, dass wir uns zu Beginn schwertun. Wir müssen etwas Geduld haben und als Team weiter zusammenwachsen. Vorerst ist es wichtig, dass wir uns vom Tabellenende lösen und in der Rangliste weiter vorrücken, ich bin zuversichtlich, dass uns dies gelingt.»

Pierre Benoit


Handball-Familie Badertscher

Wacker-Cheftrainer Remo Badertscher wurde der Handballsport in die Wiege gelegt. Er trainierte während vielen Jahren den Nachwuchs von Wacker, spielte für Steffisburg in der Nationalliga B, assistierte während sechs Jahren Martin Rubin im Fanionteam und übernahm nach dessen Wechsel nach Bern die erste Wacker-Mannschaft als Cheftrainer.

Mutter Jacqueline spielte als Juniorin Handball und betreute während rund 30 Jahren die Buvette in der Sporthalle Lachen, Vater Rudolf war Schiedsrichter und pfiff in der Nationalliga A, Schwester Angela schoss Tore für Rotweiss Thun und die Brüder Claudio und Sandro sind ebenfalls vom Handball-Virus infiziert. Beide waren für Wacker aktiv, Claudio trainiert heute das 1.-Liga-Team der Thuner. Verantwortlich, dass die Geschichte weitergeht, ist Angela Baumann-Badertscher. Ihre Söhne Yanic und Joshua gehören bereits zum Kader der ersten Mannschaft.


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