Bowls, diese faszinierende Präzisionssportart, ist in der Schweiz noch weitgehend unbekannt. In sechs Vereinen sind rund 100 Spielerinnen und Spieler aktiv, anders als in Grossbritannien, Australien, Neuseeland, Südafrika, Kanada und Zypern, wo erfahrene Profis um hohe Preisgelder zu den Kugeln greifen.

An Grossanlässen, Welt- und Europameisterschaften ist es deshalb schwierig oder gar unmöglich, dass Schweizerinnen oder Schweizer einen Podestplatz erreichen. «Für uns geht es darum, ‹the best of the rest› zu sein», sagt Mark Chardonnens, Vizepräsident des Bowls Club Thun und selbst aktiver Bowlser. «Wir wollen und müssen gewinnen, wenn wir gegen Spanien oder Frankreich spielen, gegen Schottland oder Australien ist dies ganz einfach unmöglich», so Chardonnens.

Vom Grabengut nach Oberlangenegg
Begonnen hat die Geschichte des Bowls Club Thun im Jahr 2010 in der Curlinghalle im Grabengut. Während der curlingfreien Sommerzeit konnten einige Bowls-Begeisterte die für die Ausübung des Sports notwendige Infrastruktur aufbauen und ihrem Steckenpferd frönen, darunter auch Curlingspieler, die im Sommer zum Ausgleich zu den Bowls-Kugeln griffen. «Weil die Halle im Sommer mittlerweile von den Thuner Seespielen beansprucht wird, mussten wir nach einem neuen Standort suchen. Wir wären gerne in Thun geblieben, es gab auf der Suche nach einem neuen Standort zwar Gespräche mit Stadtpräsident Raphael Lanz, doch fündig geworden sind wir noch nicht», sagt Chardonnens.
So spielen die Thuner Bowlser, die sich über Neumitglieder freuen, nun in der Eishalle in Oberlangenegg. Wenn das Eis abgetaut ist, sind sie an der Reihe und somit quasi vom Erfolg resp. Misserfolg der dort ihre Heimspiele austragenden Eishockeyclubs abhängig. Von Ende April bis August «gehört» die Hot Shot Arena den Bowlsern, doch auch hier gibt es Einschränkungen. «Findet hier ein Konzert oder ein anderer Grossanlass statt, müssen wir unsere Infrastruktur entfernen und anschliessend wieder neu aufbauen, ein Prozedere, das rund sechs Stunden in Anspruch nimmt», so Chardonnens.

Markus Bürgin und Peter Lauper

Einen ersten Grosserfolg für Swiss Bowls erreichten die Thuner Markus Bürgin und Peter Lauper an einem internationalen Grossanlass auf Zypern. Zusammen mit zwei Zypriotinnen holten sie in der Kategorie 55+ im Mixed Bronze und damit Historisches, handelte es sich doch um den ersten Schweizer Medaillengewinn an einem wichtigen Turnier.
In der Schweiz verkörpern die Thunerinnen und Thuner absolute Spitzenklasse. Simone Kunz holte sich im Vorjahr in Kandersteg ihren zweiten Schweizermeister-Titel, weniger Glück hatten diesmal die Männer, für welche der Viertelfinal Endstation bedeutete

WM in Australien und EM in Schottland

Vom 29. August bis 10. September werden in Ayr (Schottland) die European Championship durchgeführt. Daran teilnehmen wird auch eine Schweizer Delegation, bestehend aus je fünf Frauen und Männern. An den Europameisterschaften in Schottland wird der BC Thun mit Andrea Locher, Karin Rubin, Simone Kunz und Thomas Schneiter gleich vierfach vertreten, mit Heidi Gafner, Sitanan Zaller, Beat Matti und Christian Haldimann stellte auch der Bowls Club Gstaad vier Aktive, komplettiert wurde die Delegation durch Jan Klossner (BC Dragons Langenthal) und Thomas Wälti (BC Jungfrau). Die Delegation für die Weltmeisterschaften dürfte ähnlich aussehen. Für die Teilnehmenden ist das Mitmachen an einer WM oder EM eine kostspielige Angelegenheit. Reise, Unterkunft und Verpflegung gehen auf eigene Kosten, wie uns Mark Chardonnens wissen lässt. Noch wichtiger als die Weltmeisterschaften wird von den Bowls-Insidern der Anlass «Champion of Champions» eingestuft. «Hier sind allein die Landesmeister zugelassen, trifft sich also wirklich die Crème de la Crème des Bowls-Sports», erzählt uns Mark Chardonnens. Thomas Schneiter wird in diesem Jahr die Schweiz vertreten. «Präzision, taktisches Verständnis und gute Nerven werden auch an der WM gefragt sein», so Chardonnens, der seit drei Jahren spielt und gleich beim ersten Schnuppern von der Sportart begeistert war, genau so wie Roger Federer, der jeweils vor den Endspielen in Wimbledon zur Ablenkung versuchte, seine Bowls-Kugeln möglichst nahe am «Jack» zu platzieren, was ihm – wie könnte es beim Ballgefühl des «Maestros» auch anders sein – meist gelang.
Pierre Benoit

Was ist Bowls?
Bowls ist ein britischer Kugelsport. «Bowls» ist der englische Ausdruck für Kugeln (vgl. italienisch Boccia, französisch Boule). Wie bei allen Kugelspielen besteht das Ziel des «Bowls» darin, die eigenen Kugeln oder «Bowls» so nah wie möglich an eine Zielkugel (im «Bowls» Jack genannt) zu legen. Im Unterschied zu Boccia und Boule werden die «Bowls» nie geworfen, sondern gerollt. Die Kugeln haben einen exzentrischen Schwerpunkt, was einen kurvenförmigen Rollverlauf bewirkt (ähnlich einem curlenden Curlingstein). Bowls ist ein Präzisionssport.

Swiss Bowls
In der Schweiz wurde 2007 der erste Bowls Club in Gstaad gegründet. Seit 2012 gibt es den Nationalen Verband Swiss Bowls. Nach dem Beitritt vom Bowls Club Thun (2010) und den Clubs Jungfrau, Langenthal, Uzwil (2014/15) und Kandersteg (2022) besteht Swiss Bowls nun aus sechs Klubs. Swiss Bowls ist der Fachverband für den Bowls-Sport in der Schweiz. Hauptziel von Swiss Bowls ist die koordinierte Förderung des Bowls-Sports in all seinen Formen in der Schweiz. Swiss Bowls ist Mitglied von World Bowls (WB, Weltverbandund) und der European Bowls Union (EBU, europäischer Verband).

Das Spielfeld
Das Green (Grün) ist eine rechteckige oder quadratische Fläche mit einer Länge zwischen 31 und 40 Metern. Das Green ist in Sektionen (Rinks = Spielfelder) eingeteilt, die zwischen 4,3 und 5,8 Meter (Outdoor) bzw. zwischen 4,6 und 5,8 Meter (Indoor) breit sind. In der Schweiz wird Bowls bis anhin auf mobilen Teppichen (30 m lang / 4 m breit) gespielt.

Bowls Club Thun
Gegründet 2010
Mitglied von Swiss Bowls
25 Aktivmitglieder
Spielort: Hot Shot Arena Oberlangenegg
Präsident: Bruno Kocher
Vizepräsident: Mark Chardonnens
Spielleiter: Thomas Schneiter
Neumitglieder willkommen www.bowls-thun.ch.