Diese Thunerinnen leiden an einem unheilbaren Virus: Wasserball

  26.06.2025 Sport-Reportagen

Fussball, Volleyball, Basketball, Handball – das alles interessiert diese Frauen wenig. Sie haben sich im Wasserball-Klub Thun mit Leib und Seele einer anderen Sportart verschrieben. Wer sich mit ihnen im wunderschönen Thuner Strandbad unterhält und in ihre glänzenden Augen schaut, fühlt förmlich, dass sie zwar begeistert, gerne und ausführlich über ihren Sport reden, aber noch lieber den Stuhl, auf dem sie sitzen, mit einem Sprung ins Bassin tauschen würden, nicht ohne den Ball zu vergessen.

Serbien, Kroatien, Spanien, Ungarn, Holland, Frankreich, die USA – das sind die erfolgreichsten Nationen im Frauen-Wasserball. Der Versuch, die Rangierung der Schweiz in der Weltrangliste zu finden, misslingt, aufgeführt sind nur die stärksten 25 Nationen. Und doch wartete der Landesverband kürzlich mit einer Erfolgsmeldung auf: Erstmals seit 30 Jahren hat sich das Frauen-Nationalteam bei der Ausscheidung im serbischen Novi Sad für die Europameisterschafts-Endrunde qualifiziert, mit Siegen über Finnland und die Ukraine bei nur einer Niederlage gegen Gastgeber Serbien. Mittendrin und nicht nur dabei: vier Spielerinnen des WK Thun, die alle massgeblich am Erfolg beteiligt waren; Leah Friedmann, Lena Rohde, Alina Morgenegg und Anouk Soder.

Den Meistertitel im Visier
Diese vier Frauen, die einiges zum historischen Moment in Novi Sad beitrugen, sind drauf und dran, ihrem Erfolgs-Palmares zusammen mit ihren Mannschaftskolleginnen des Wasserballklubs Thun einen weiteren Glanzpunkt beizufügen. Als Siegerinnen der regulären Saison bestreiten sie morgen gegen die Frauen des SC Horgen das zweite Playoff-Halbfinalspiel im Strandbad Thun. Michelle Dubach ist nicht «nur» linke Flügelspielerin des Fanionteams, sondern kümmert sich als Trainerin auch um den Nachwuchs im Verein. «Bereits als kleines Mädchen lernte ich im SSL (Spielerisch schwimmen lernen) zu schwimmen und begeisterte mich für den Wasserballsport, dem ich bis heute mit grosser Begeisterung treu geblieben bin. Wasserball ist ein interessanter Sport, es ist schön, im Wasser zu sein und im Team etwas kreieren zu können. Es kommt nie Routine auf, man lernt immer wieder Neues – wir sind wie eine Familie, unternehmen auch ausserhalb des Wassers vieles gemeinsam. Wir sind eine zusammengeschweisste Einheit, was sicher mitentscheidend ist, dass wir erfolgreich unterwegs sind.»
Bei unserem Treffen auch dabei ist Lena Rohde, gerade mal 20 Jahre alt geworden. Sie hat ihre Ausbildung am Schärmehof in Thun als Fachfrau Gesundheit abgeschlossen und soeben die zweijährige Ausbildung zur diplomierten Pflegefachperson HF erfolgreich beendet. Sport und Beruf bringt sie problemlos unter einen Hut. Die linke Flügelspielerin, die auch als linke Verbinderin oder Centerback aktiv eingesetzt wird, bewegt sich im Sommer jeden Tag mit Ball im Wasser. «Wir erzielen laufend Fortschritte. Unser Trainer Jochen Soder ist temperamentvoll, gibt uns im Spiel Anweisungen, hat aber auch grosses Vertrauen ins Team und lässt uns selbst entscheiden, welche Spielzüge wir aufziehen wollen. Als ehemaliger Nationalliga-A-Spieler bringt er auch eine grosse Erfahrung mit, die er uns weitergibt», sagt die Rechtshänderin, die dank ihrer Vielseitigkeit auch in der Mitte oder im Abwehrzentrum spielen kann.
Im Gespräch mit den beiden Thuner Spielerinnen wird klar, dass ihr Ziel ist, den vor zwei Jahren erstmals in der Klubgeschichte erkämpften Meistertitel erneut zu gewinnen. Michelle Dubach, die als Linkshänderin auf der rechten Angriffsseite stürmt und Lena Rohde sind sich einig. «Wir sind gut vorbereitet. Kraft, Kondition, Technik, Taktik, das werden die ausschlaggebenden Punkte sein, die entscheiden werden, ob wir den Titel wieder nach Thun holen können», sagen die beiden unisono. Und Lena Rohde ergänzt: «Wir haben vor drei Jahren auch mit Mentaltraining «Sophrologie» begonnen, das zahlt sich in schwierigen Situationen aus. Wir verlieren auch bei einem Rückstand nicht die Nerven und finden meist zu unserem Spiel zurück, so dass wir auch schon verloren geglaubte Partien noch zu unseren Gunsten wenden können. Wir behalten die Ruhe, halten unsere Emotionen unter Kontrolle, was auch dank der erlernten Atemtechnik möglich ist.»

Training mit den Männern
Trainiert wird im Wasser dreimal wöchentlich, daneben stehen bei den meisten Frauen auch Krafttrainings, Besuche in Fitnesscentern und Jogging auf dem Programm – ein Pensum, wie es für einen Spitzensportler an der Tagesordnung ist. Die Thuner Frauen lassen sich auch durch schwierige Bedingungen nicht von der Erfolgsstrasse abbringen. Im Winter bestreiten sie ausschliesslich Auswärtsspiele, weil das Wasser reglementgemäss bei Meisterschaftsspielen eine Mindesttemperatur von 20 Grad aufweisen muss und in Thun in keiner Halle Wasserball gespielt werden kann. So häufen sich die Heimspiele der Thuner Frauen im Sommer, sehr zur Freude der Badegäste, die in den Genuss von Wasserball-Begegnungen kommen, die meist mit einem Thuner Erfolg enden.

Noch zwei Schritte bis zum Titel
In den folgenden Tagen entscheidet sich, ob der Wasserballklub Thun den zweiten Titel der Vereinsgeschichte gewinnen kann. Vorgestern bestritten die Thunerinnen (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) den ersten Playoff-Halbfinal beim SC Horgen, morgen steht im Thuner Strandbad (20.45 Uhr) der zweite Halbfinal auf dem Programm. Ein allfällig notwendiges drittes Halbfinalspiel fände am Samstag, 28. Juni um 20.15 Uhr ebenfalls im Strandbad Thun statt. Im Falle eines Weiterkommens, sind die Finals auf den 1. und 4. Juli angesetzt, ein drittes Spiel fände am 5. Juli statt. Gegnerinnen der Thunerinnen im Final wird das Siegerteam des anderen Halbfinals zwischen SC Winterthur Women und WSV Basel Women sein.

Pierre Benoit


Wasserballklub Thun

1970 als Wasserball-Team-Thun gegründet

Seit 2000 selbstständig als Wasserballklub Thun

1988 Gründung einer Frauen-Abteilung


Grösste Erfolge

1984 Junioren-Schweizermeister

1984 Aufstieg Herren in die Nationalliga A

2015 und 2022 Cupsiege der Frauen

2023 erster Meistertitel der Frauen

5 Teams (U13, U15, U17/U20 Frauen, Frauen Nationallliga A
Herren Regionalliga

Präsident: Heinz Stähli
Sportchef: Jochen Soder


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