Dölf Hänni: Dieser Mann ist ein Phänomen
30.05.2025 Sport-ReportagenAm Sonntag feiert Adolf «Dölf» Hänni seinen 70. Geburtstag. Dass er diesen Tag überhaupt erleben und feiern darf, ist alles andere als selbstverständlich. Doch davon später. Der Thuner ist einer der erfolgreichsten Seitenwagen-Beifahrer, wobei «Beifahrer» im Zusammenhang mit einem Seitenwagen-Duo eine falsche Bezeichnung ist. Der Anteil an den Erfolgen eines Seitenwagen-Teams liegt zu mindestens 50 Prozent beim Beifahrer.
Ihm kommt die Aufgabe zu, das Gefährt auf den Rädern zu halten, es zu stabilisieren und die Kurvenlage durch gezielte Gewichtsverlagerung und Körperhaltung, insbesondere in den Kurven, zu beeinflussen.
Dölf Hänni ist durch Zufall zum Rennsport gekommen, man könnte im Zusammenhang mit seiner glanzvollen Karriere durchaus wieder einmal die oft und gern gebrauchte Redewendung «Wie die Jungfrau zum Kind» strapazieren. Dölf Hänni: «Ein Mann aus Australien holte bei mir sein Auto ab, das in meiner Garage repariert worden war. Dabei erzählte er mir, dass er am kommenden Wochenende ein Seitenwagen-Rennen bestreite und sein Beifahrer ausfalle, ob ich einspringen könne. Ich sagte, ohne lange zu überlegen, zu und so bestritt ich ein paar Tage später im französischen Spa Francochamps mein erstes WM-Seitenwangen-Rennen, nachdem wir in aller Eile beim australischen Verband noch eine Lizenz eingeholt hatten. Dazu war es nötig, bei meinem Jahrgang etwas zu schummeln, wurden doch für über 40-Jährige keine Lizenzen ausgestellt…»
Der Anfang zu einer mit vielen Höhen und ebenso vielen Tiefen gezeichneten Karriere war gemacht. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, auch Hänni selbst nicht, was in den folgenden Jahrzehnten alles passieren und er im stolzen Alter von 58 Jahren als ältester Beifahrer aller Zeiten Weltmeister und Aufnahme in die Rekordbücher finden würde.
Die Zahl 25
Im Leben von Dölf Hänni – von seinen Konkurrenten mit Legende angesprochen – spielte stets die Zahl 25 eine wesentliche Rolle. In seiner Karriere als Seitenwagen-Beifahrer sass er neben insgesamt 25 Piloten, in seiner Garage bildete er genau 25 Lehrlinge aus «die ersten zehn allesamt solche, die an ihrer Lehrstelle Probleme hatten, zu mir wechselten und alle die Prüfung erfolgreich absolvierten», wie er nicht ohne Stolz berichtet. 25 Mal erlitt er bei seinen Rennen auch Knochenbrüche. Hier im Einzelnen auf all diese Unfälle einzugehen, würde den Rahmen sprengen und den Leserinnen und Lesern wie ein Schauermärchen vorkommen, deshalb nur so viel: All die Knochenbrüche machten Operationen mit 30 Vollnarkosen notwendig, auch hier könnte Dölf Hänni von seinen Aufenthalten in den Spitälern der Welt ein Liedlein singen. Operative Eingriffe, die einmal einen Herzstillstand zur Folge hatten, ein anderes Mal wurden ihm notfallmässig acht Stents eingebaut, einmal wurde er bei einem Sturz, der ihn an eine Hauswand katapultierte anschliessend von einem Fahrer überrollt, doch das alles hinderte das Stehaufmännchen aus Thun nicht, immer wieder weiterzufahren und kurz danach erneut im Seitenwagen zu sitzen, manchmal auch mit einer gebrochenen Schulter oder einem gebrochenen Bein.
Beruf und «Hobby»
Nicht einfach war es für Hänni während all diesen Jahren auch, Beruf und «Hobby» unter einen Hut zu bringen, wobei die Bezeichnung Hobby für seine Tätigkeit als Seitenwagenbeifahrer nur bezogen auf die finanziellen Einnahmen, nicht aber auf den Aufwand zutrifft. Nach den Rennen in Europa fuhr Hänni jeweils noch am gleichen Abend mit seinem Lastwagen Richtung Thun, an der Schweizer Grenze musste er jedoch den Laster wegen des Nachtfahrverbots abstellen. Weiter ging es mit einem dort abgestellten PW, damit er am Montag um sechs Uhr in der Garage stehen und nach Feierabend wieder an die Grenze zu fahren, um den Lastwagen samt aufgeladenem Seitenwagen in seine Garage zu bringen, und ihn für das nächste Rennen wieder bereitzumachen.
Doch all diese Strapazen nahm Hänni auf sich. «Die Faszination, in einem Team aktiv zu sein, gemeinsam Erfolge zu feiern, das war einer der Gründe, dass ich immer weitermachte und trotz vieler gesundheitlicher Probleme nie aufgab», blickt Hänni zurück. Bei den insgesamt 25 verschiedenen Piloten, bei denen er als Beifahrer mitwirkte, galt es immer wieder, sich neu anzupassen. «Jeder fährt seinen eigenen Stil, auf den es sich einzustellen gilt, was nicht immer einfach war», sagt Hänni, der während seiner Karriere auch stets Besitzer des Seitenwagens war.
Eishockey in Thierachern
Aktiv war Dölf Hänni, der sich in seiner Jugend mit Arbeiten als Wochenplatzbube in einem Motorrad-Geschäft (25 Rappen pro Stunde), an einer Tankstelle im Grabengut und als Plakatkleber bei der Allgemeinen Plakatgesellschaft sein Taschengeld verdiente, auch im Eishockey. An der Seite des späteren Nationalspielers und vierfachen Schweizermeisters mit dem SCB, Fritz Wyss, ging er mit dem SC Thierachern auf Punktejagd. «Plötzlich wurde der Aufwand zu gross, überschnitten sich die Termine Eishockey/ Motorsport immer mehr und musste ich mich schweren Herzens für das eine oder andere entscheiden», sagt Dölf Hänni. Als Coach und Trainer war er anschliessend noch tätig, denn die Katze konnte das Mausen nicht lassen. Auf Taxifahrten mit seinem Seitenwagen und als Reiseleiter bei Rennen auf der Insel Man und ebenso in seiner Garage, die er kürzlich seinem Nachfolger übergeben hat, ist Dölf Hänni immer noch aktiv. Am Sonntag – welch ein Wunder – feiert er seinen 70. Geburtstag. Wir verneigen uns und gratulieren herzlich. Pierre Benoit
390 km/h – Weltrekord
Auf dem Salzsee im amerikanischen Bonneville stellte Hänni vor sieben Jahren einen noch heute gültigen Weltrekord auf. Mit einer Geschwindigkeit von 390 Stundenkilometern absolvierte er auf seinem in den USA gebauten Seitenwagen die 25 Kilometer lange Strecke. Hänni sass in einem sieben Meter langen und und 1700 Kilogramm schweren Gefährt mit einem 600 PS starken Motor, einem Streamliner, in dem er mit einem Gitterrahmen geschützt wurde. Um das Fahrzeug zu bremsen, werden zwei Fallschirme benötigt.