Eigentlich ist Thuns Gil Reymondin zu gut für die MyHockey League

  27.12.2024 Sport-Reportagen

Die Handballer von Wacker tun sich derzeit zwar schwer, doch sie gehören seit mehr als 30 Jahren zur «Crème de la Crème» des Schweizer Handballs. Der FC Thun Berner Oberland ist auf dem besten Weg, im kommenden Jahr wieder in der Super League zu spielen, auch die Unihockeyaner des UHC Thun sind bereit, in die oberste Spielklasse zurückzukehren. Und die Eishockeyaner des EHC Thun? Die Konkurrenz im Kanton aus Bern, Langnau und Biel ist enorm – trotzdem sind die Leistungen vielversprechend und die Zukunftsaussichten rosig.

Doch den EHC, sportlich gut unterwegs, plagen andere Sorgen: Die in die Jahre gekommene Grabengut-Eishalle wird endlich saniert, ein Nachkredit über 8,7 Millionen Franken wurde gutgeheissen und damit steht der Erneuerung, die das Stimmvolk und der Gemeinderat mit einem Kredit von rund 20 Millionen im Februar 2022 beschlossen hatten, nichts mehr im Weg. Ende der laufenden Saison, im April, sollen die Bauarbeiten beginnen – ein Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse scheint somit frühestens Ende Saison 2025/26 möglich zu sein. Doch auch in Thun gilt: «Aufgeschoben ist nicht aufgehoben».

Resultate besser als Leistungen
«Mit den Leistungen sind wir noch nicht ganz zufrieden, die Resultate dagegen stimmen mehr oder weniger», sagt Thuns Stürmer Gil Reymondin. Der Sohn von Sportchef und Vizepräsident Alex Reymondin und Bruder des im Oktober aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Joel Reymondin ist der Meinung, «dass wir bisher unser Potential noch nicht ausgeschöpft haben und sicher mehr können, als wir zeigten.» Doch trotz all dieser Zurückhaltung in der Beurteilung der Leistungen des Thuner Fanionteams, verströmt Gil Reymondin auch Zuversicht. «Wir sind sicher fähig, gegen in der Rangliste noch vor uns klassierte Mannschaften zu gewinnen und werden das auch beweisen.»

Kein Verletzungspech
«Sieht man vom Langzeit-Verletzten Goalie Leandro Frei und Verteidiger Sascha Inniger ab, wurden wir in dieser Saison im Gegensatz zum Vorjahr von Verletzungen weitgehend verschont», sagt Gil Reymondin. Ein herber Verlust dagegen bedeutet der Rücktritt von Joel Reymondin. Nach einem vor zwei Jahren in Lyss erlittenen Check mit nachfolgendem Sturz auf den Hinterkopf, hatte sich der langjährige Captain zwar recht gut erholt, trotzdem entschied er sich nach 339 Spielen mit 379 Skorerpunkten, die Aktivkarriere zu beenden. Glücklicherweise bleibt der Mann, der zwischenzeitlich beim HC Davos auch Luft in der obersten Spielklasse schnupperte, dem EHC Thun als Trainer im Nachwuchsbereich erhalten. Aktiv auf dem Eis ist der ehemalige EHC-Thun-Leader nur noch plauscheshalber ein paar Stufen tiefer tätig. Er schnürt seine Schlittschuhe neuerdings für den HC Lerchenfeld in der 3. Liga, für seine Gegenspieler eine echte Herausforderung. «Die Rolle, die Joel im Team innehatte, kann nicht einfach so von einem anderen Spieler übernommen werden, auch ich vertrete einen anderen Spielertyp, wir müssen alle zusammen versuchen, die entstandene Lücke zu schliessen», so Gil Reymondin.

Warum nicht beim SCB?
Wirft man einen Blick auf die bisherige Karriere von Gil Reymondin, drängt sich eine Frage auf: Warum, um alles in der Welt, spielt er beim EHC Thun in der MyHockey League und nicht beim SCB in der National League? Als 16-Jähriger stiess Reymondin von Thun zum SCB, spielte einige Partien in den U17-Elit und schon bald bei den U20-Elit. In der Saison 2018/19 wurde er in der obersten Nachwuchsklasse mit 63 Skorerpunkten (19 Tore/44 Assists) Torschützenkönig. Gleichzeitig lief das Supertalent auch für die U20-Nationalmannschaft auf, nachdem er zuvor schon bei der U17 das Schweizerkreuz auf der Brust getragen hatte. Solche Werte öffnen normalerweise den Weg in die National League, sei es direkt oder über den Umweg bei einem Team der Swiss League. Doch für Gil Reymondin ging es zurück nach Thun, zwei Stufen tiefer. «Er war ein smarter, technisch versierter Junior mit guter Spielübersicht», blickt Marc Weber, der Geschäftsführer von SCB Future, zurück. Konkreter, warum er den Schritt in die grosse, weite Welt des Spitzen-Eishockeys letztlich doch verpasst hat, äussert sich Gil Reymondin selbst. «Sicher sind verschiedene Faktoren verantwortlich dafür, dass ich heute in Thun und nicht beim SCB spiele. Zum einen suchte der SCB wahrscheinlich nicht einen Stürmer mit meiner Spielart, viel entscheidender dürfte aber gewesen sein, dass ich damals zu wenig ehrgeizig und zu faul war und zu wenig um einen Platz kämpfte.» Ein weiterer Grund, dass er den Sprung nicht schaffte, dürfte sicher auch daran gelegen haben, dass ihm im Nachwuchs alles zu leicht von der Hand ging, er mit seinem ausserordentlichen Talent gar nicht bis zum letzten Schweisstropfen fighten musste, um erfolgreich zu sein.

Zu 100 Prozent arbeitstätig
Nach erfolgreich abgeschlossener Lehre als Maler ist Gil Reymondin heute zu 100 Prozent in der Firma von Vater Alex tätig, wo auch Bruder Joel mitwirkt. «Seit August bin ich voll dabei und fehle aufgrund des Eishockeys praktisch nie.» Am Arbeitsort oder am Mittagstisch ist Eishockey bei den Reymondins nur äusserst selten ein Thema. «Wenn wir zu Dritt zusammensitzen, kann es hin und wieder einmal vorkommen, dass über Eishockey gesprochen wird, doch das ist die grosse Ausnahme», sagt Gil Reymondin.

Vorfreude auf die Playoffs
Saisonhöhepunkt sind für jeden aktiven Eishockeyspieler die Playoffs, egal in welchem Land und in welcher Liga. Dies ist auch in Thun nicht anders. «Ich denke, dass im Hinblick auf die Playoffs alles möglich ist und wir uns um die Qualifikation keine grossen Sorgen machen müssen», sagt Gil Reymondin.

Lassen wir uns überraschen. Den spielstarken Thunern ist alles zuzutrauen, wenn die Meisterschaft in die entscheidende Phase tritt.
Pierre Benoit

 


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