«Lerchus» wilde Junge sind hungrig, ambitioniert, ehrgeizig und erfolgreich

  16.11.2023 Sport-Reportagen

Nach der Saison 2021/22 stieg der FC Lerchenfeld in die 2. Liga regional ab. Viel Pech spielte mit, doch die Welt ging nicht unter. Im Jubiläumsjahr – der FC feierte in diesem Sommer das 100-jährige Bestehen – scheint auf der Sportanlage Waldeck wieder die Sonne. Nach einem dritten Platz in der vergangenen Saison steht das Team von Trainer Daniel Klossner nach der Vorrunde mit 34 Punkten aus 13 Spielen und nur einer Niederlage mit acht Zählern Vorsprung an der Tabellenspitze.

Allein ein mittleres, sportliches Erdbeben könnte die Rot-Grünen noch von Platz 1 verdrängen. 36 Tore geschossen, nur zwölf Gegentreffer erhalten, die Mannschaft ist hinten genau so solid wie vorne und dies, obwohl die Abwehr aus lauter Jugendlichen zusammengesetzt ist, die gerade mal berechtigt sind, einen Lernfahrausweis zu beantragen.

Der «Kinderriegel»
Trainer Daniel Klossner nennt seine Abwehr den «Kinderriegel». Ende der Dreissiger- und Anfang der Vierzigerjahre des letzten Jahrhunderts führte der legendäre Österreicher Karl Rappan die Schweizer Nationalmannschaft. Er gilt als Erfinder des berühmt-berüchtigten «Schweizer Riegels» mit zwei hintereinander postierten Innenverteidigern (meist waren dies Willy Steffen und Rudolf Gyger), einem zurückgezogenen Mittelläufer und zwei defensiv orientierten Aussenläufern. Die beiden Innenverteidiger verschoben sich auf die Seite, auf welcher der Gegner angriff, so dass der bekannte Riegel entstand.
Doch im Gegensatz zu Karl Rappan baut Lerchenfeld-Coach Daniel Klossner nicht auf erfahrene Abwehrspieler, sondern vertraut seinen Jünglingen. «Der Goalie und die Verteidiger sind allesamt in den Jahren 2004 oder 2005 zur Welt gekommen, doch das hindert sie nicht daran, Wochenende für Wochenende starke Leistungen auf den Platz zu bringen – im Gegenteil. Mit 36 erzielten Toren stellt Lerchenfeld zusammen mit dem FC Konolfingen nicht nur den erfolgreichsten Angriff, sondern mit 0,92 Gegentoren pro Spiel auch die mit Abstand solideste Abwehr.

Die unbeschwerte Jugend
Keiner kennt die Gründe für den beeindruckenden Durchmarsch des FC Lerchenfeld besser als Trainer Daniel Klossner, der mit seinen Spielern dreimal wöchentlich trainiert und auch bis an Weihnachten weiterhin zwei freiwillige Trainings anbietet, obwohl der Meisterschaftsbetrieb ruht. Bereits Anfang Januar soll dann der normale Trainingsbetrieb wieder aufgenommen werden. Anstelle eines Trainingslagers plant der Verein ein Team-Wochenende, weil auf dem Waldeck-Kunstrasen praktisch immer gespielt werden kann.
Daniel Klossner: «Meine Mannschaft ist blutjung, die Standardelf hat ein Durchschnittsalter von unter 20 Jahren. Die Spieler sind äusserst motiviert, ambitioniert, wendig, laufstark und ehrgeizig. Deshalb können wir während der ganzen Spieldauer ein hohes Pressing betreiben und den Ball früh gewinnen.» Klossner vergisst nicht, auch die ausgezeichnete Ausbildung zu erwähnen, die viele Akteure im Nachwuchs des FC Thun Berner Oberland genossen haben, auch deshalb ist das technische Niveau des gesamten Teams für 2.-Liga-Verhältnisse überdurchschnittlich hoch.

Teufelskerl Laurin Bauer
Wer über den FC Lerchenfeld berichtet, darf einen Spieler nicht vergessen, obwohl eine der Stärken des Teams in der Ausgeglichenheit des Kaders liegt. Teufelskerl Laurin Bauer hat bisher allein 20 der 36 Tore des FC Lerchenfeld erzielt – eine unglaubliche Quote, die ein wenig an Gerd Müller, Robert Lewandowski, Harry Kane oder in den guten, alten YB-Zeiten Geni Meier erinnert. «Er ist sehr schnell, dribbelstark und eiskalt im Abschluss. Als linker Flügel nutzt er den Raum, der ihm geboten wird, ausgezeichnet», sagt Daniel Klossner.
Bauer stiess vor dreieinhalb Jahren vom FC Rothorn Brienz zu «Lerchu» und ist seither Garant für viele Tore. Werden da nicht höherklassige Vereine auf den Mann mit dem ausgeprägten Torriecher aufmerksam, wollen wir vom Trainer wissen. «Doch, doch, es gibt einige Klubs, die auf Laurin aufmerksam geworden sind und ihn gerne abwerben würden, doch Stand heute bleibt unsere Mannschaft auch in der kommenden Saison zusammen.»

Wie weiter?
Ende Saison könnte eine Rückkehr in die 2. Liga interregional Tatsache werden. Doch die Vereinsleitung setzt den Trainer und die Spieler nicht unter Druck, dies scheint bei einem komfortablen Vorsprung von derzeit acht Punkten auch nicht notwendig zu sein. «Die Spieler sind sehr ehrgeizig, sie wollen aufsteigen, auch der Verein will dies, aber nicht um jeden Preis», so Klossner. Es käme einer Sensation gleich, würden die Lerchenfelder die Saison nicht auf Rang 1 abschliessen. Die Chance ist riesig, denn Lerchenfeld kennt selbst dann ein Rezept, wenn die wilden Jungen einmal eine schwächere Phase einziehen, wie im letzten Match gegen Verfolger Interlaken, als es zur Pause 0:1 stand. «Wir sind konditionell so stark, dass wir in der Lage sind, zu reagieren und das Blatt zu wenden, bleiben aber weiterhin demütig, denn auch ein Acht-Punkte-Polster ist keine Garantie», so Klossner. Honoriert wird dies von den Fans, bei Heimspielen sind meist rund 350 Zuschauer anwesend und auch auf fremdem Terrain wird «Lerchu» von seinen Anhängern lautstark unterstützt.

Pierre Benoit

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote