Im Dienst der Landschaftspflege
03.11.2022 ReportagenAn einem steilen Berghang hoch über dem Dorf Iseltwald liegt das Heimetli von Niklaus Hirschi. Beim Grasen ausserhalb unseres Verwaltungskreises erfahren wir da von einer Möglichkeit der Tierhaltung und Kulturlandpflege – tierfreundlich und naturnah. Ein Besuch auf dem Tierhof Louberli.
Angefangen hat alles mit einem Traum im Emmental. Der gelernte Landwirt Niklaus Hirschi war im Eggiwil als Hof-Pächter landwirtschaftlich tätig. Damals ganz konventionell: «Ich bin durch und durch ein Bauer und mag meine Arbeit mit Tier, Land und Hof sehr – damals wie heute», betont er. Er war also auch mal ein produzierender Landwirt mit acht bis zehn Milchkühen und arbeitete zu 80 Prozent noch als Landmaschinen-Monteur: «Ich träumte schon lange von etwas Eigenem.» Mit seiner Ex-Frau Pia und den beiden Kindern Sophie und Christian machten sie sich auf die Suche und wurden im Louberli ob Iseltwald fündig. «Zwar konnten wir das Heimetli kaufen, doch ist das Gelände schwer zu bewirtschaften – etwa für Maschinen ist es zu steil», berichtet Niklaus Hirschi. Gemeinsam suchten sie nach tragfähigen Alternativen. Pia hatte die Idee für den Tierhof. Anfänglich war Niklaus nicht sogleich begeistert. Wobei ihm ein hoher Biodiversitätsanteil immer ein Anliegen war. Nach einigem Hin und Her war man gleichgestimmt, und schrittweise entstand der Tierhof Louberli. Das war ab Ende 2012. Seit da ist viel Aarewasser durch den Brienzer- und Thunersee bis nach Thun und weiter geflossen.
Mögen alle Wesen glücklich sein
Wer hier den steilen Aufstieg unter die Füsse nimmt, regt seinen Kreislauf an. Das Dorf Iseltwald liegt auf 566 Meter über Meer. So sind es um die 180 Höhenmeter bis zum Tierhof Louberli. «Im Auto schafft man die Strecke nur mit Allradantrieb, und im Winter sind die Ketten obligatorisch», lacht Hirschi. Wobei die extremen Kurven zum Teil nur mit Richtungskorrektur in der Kurve, also in zweimaligem Anlauf, zu meistern sind. Oben angekommen wird man belohnt: Die Aussicht auf den flaschengrünen Brienzersee mit der imposanten Brienzer-Rothorn-Bergkette direkt gegenüber und dem Niesen im Westen ist grandios.
Es herrscht eine friedliche Stimmung. Eine Schar Blauer Pfauen, angeführt vom Pfauenhahn Konrad, überquert in entspannter Manier das Gelände und platziert sich auf dem Dachfirst des Bauernhauses. Beflissen und lautstark bemerken unsere Ankunft nun die drei Gänse. Hans, die Gans kann sich kaum mehr beruhigen. Die drei Wollsäue hingegen schnarchen genüsslich weiter und tun das, was sie neben dem im Dreck wühlen am liebsten tun: sie dösen vor sich hin. Eber Bob Marley verfügt über ein angemessen verfilztes Wollkleid. «Wir haben sie zum Umgraben unseres damaligen Gartens sehr gut einsetzen können», schmunzelt Niklaus Hirschi. Jedes der fast 70 Tiere hat seine eigene Geschichte. Geissbock Kobi etwa büxt immer aus und sucht dann die Nähe von Niklaus auf. Kobi sei zuweilen fast schon penetrant, meint er lachend. Kobi hatte es in seinem Leben nicht immer artgerecht und kam als Tierschutz-Fall zu ihnen. Oft sind es aber auch Lieblingstiere – so etwa das Samichlous-Eseli Sämi. Niklaus scheut keinen Aufwand: regelmässige Klauen- und Hufpflege, Schafe schären und entwurmen, wenn nötig. «Hier dürfen alle Tiere einfach sein und leben «ohne Nutzen» – sie sterben natürlich oder wir lassen sie einschläfern, wenn es nicht mehr geht.» Diesen Sommer starb im Louberli Eselin Leila auf natürliche Weise im Alter von 30 Jahren.
«Ich wurde belächelt»
Niklaus Hirschi war schon immer sehr tierliebend. Als Bub hatte er «Chüngeli». Seine ersten Schwarznasenschafe kaufte er, als er aus der Schule kam. Im Louberli weiden auch heute elf dieser kuscheligen Paarhufer. Schafbock Christian mag es, «we me ne am Haus chräbelet.» Daneben haben es Niklaus die Esel und mittlerweile auch der Lamahengst Canello besonders angetan.
Am Anfang wurde der Tierhof von vielen Seiten belächelt. «Heute haben wir mehr Akzeptanz – doch mache ich, was ich will.» Schliesslich kritisiert Hirschi nichts und niemanden. Das ist ihm wichtig. Er mag keine Bevormundung und will sich nicht als Visionär sehen: «Ich träume von einem Hektar topfebenem Stück Land zum Heuen», gibt er pragmatisch preis. Das Tierfutter muss soweit möglich biologisch sein. Hirschi verfüttert Bio-Heu: «Im Monat sind es im Schnitt etwa 2400 Kilogramm.» Sein Betrieb ist seit 2013 mit der Knospe ausgezeichnet.
Ein Stück Freiheit
Der Hof von Niklaus Hirschi erhält vom Bund für den hohen Biodiversitätsanteil, die tierfreundliche Tierhaltung und die naturnahe Bewirtschaftung/Landschaftspflege jährliche Direktzahlungen von 2500 Franken pro Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. «Wir sind ein kleiner Betrieb und geben unser Möglichstes, damit es für alle reicht», sagt Hirschi, der daneben zu 100 Prozent im Werkhof Iseltwald arbeitet. Dank seiner Weidetiere hat es hier oben offenes Gelände. «Ohne sie hätten wir innert zwei Jahren eine Staudenlandschaft», so Hirschi. Mehr Tiere kann er im Moment nicht aufnehmen. Er ist offen für Spenden und Patenschaften: «Jeder so wie er kann und will.» Gerne hält er für Interessierte Hofführungen ab, stellt das Gelände mit Infrastruktur und Streichelhof für Kindergeburtstage zur Verfügung, bietet sommerliche Übernachtungsmöglichkeiten im mitgebrachten Zelt oder im Hof-Heustock und meint abschliessend: «Leben und leben lassen – im Moment stimmt es für mich so.»
Barbara Marty
Zahlen und Fakten
Tierhof: fast 70 Tiere
Landwirtschaftliche Zone: Bergzone III (steil/felsig)
Lage: 750 Meter über Meer
Landfläche: 10 ha, wovon 7 ha in Dauerweide
Öko-Fläche: 3,5 ha
75% mit besonders hoher Artenvielfalt
Verbrauch Bio-Heu: 600 Kilogramm pro Woche
Knospe-Betrieb Bio Suisse: seit 2013