Quellenschatz und Moorjuwel
13.10.2022 ReportagenDas Eriz ist kein Dorf, sondern ein Tal. Als zweitgrösste und östlichste Gemeinde im Verwaltungskreis Thun bildet es die Brücke vom Berner Oberland ins Emmental. Obschon das Eriztal weitläufig ist und verstreut besiedelt, herrscht unter den Leuten ein guter Zusammenhalt. Auf Spurensuche im mystischen Tal.
Auf einem Quadratkilometer siedeln hier 22 Menschen. Auch optisch punktet im Eriz die Landschaft, und diese hat einen besonderen Charakter. Schliesslich zeugen etliche Sagen und Mythen davon und betonen die urtümliche Energie: Sichle, Hohgant, sieben Hengste, Rotmoos, Chrindemandli, Trogenhorn, Chnübeli, Moorhexe und Drüschhubel klingen doch per se schon wie ein Vorgeschmack auf sagenhafte Geschichten und zählen mitunter zu den schönsten Wanderungen und Aussichtspunkten der Region.
Wer im Eriz lebt, ist voller Lob für seine Wohngemeinde. Enthusiastisch werden einem umgehend viele schöne Ausflugsorte genannt und ebenso ausdrucksstark beschrieben. Die lachende Sonne im Emblem der Gemeinde unterstreicht zusätzlich den Ort für gute Laune. An den Hängen der Gemeinde Eriz scheint für alle die Sonne und es herrscht unter den Leuten laut Daniel Kropf, dem Gemeindepräsidenten: «ein starker Zusammenhalt.» Der Umgang sei angenehm und persönlich, man kenne und grüsse einander. Häufig hört man u.a. diese Familiennamen: Eicher, Fahrni, Gyger, Kropf und Reusser.
Wie umschreibt Kropf «seine» Erizer:innen? «Freundlich, aufgestellt, umgänglich und in der Regel friedfertig», antwortet er prompt. Erst kürzlich kam die Gemeinde zu einem rauschenden Fest zusammen: mit Gästen und Besuchenden feierte man Anfang August endlich, nun schon 702 Jahre Eriz. Zu Füssen der sieben Hengste gab es im Festzelt: Musik mit «ChueLee», Schwyzerörgeli, Jodel, Tanz, Gesang und Tombola sowie einen Brunch am Sonntag. Mit von der Partie: der berühmteste Wahl-Erizer, Hanspeter Latour, der auf der Geissenegg seinen Zweitwohnsitz mit Naturgarten liebt und hegt.
Sowohl Oberland als auch Emmental
Urkundlich wurde der Ortsname Eriz zum ersten Mal im Jahre 1320 erwähnt: Als Junker Walther an der Matten dem Konrad von Teuffenthal den achten Teil seiner Einkünfte von den Falken und Habichten in den Wäldern im Eriz verkaufte. Die Rede war damals vom Gebiet «im Eraza», was auf «Erharts» – das Besitztum des Landgrafen Eberhard hindeutet. Später stand man unter der Herrschaft von Heimberg und danach unter dem äusseren Gericht, das Werner Katterli für die Kyburger verwaltete. 1384 kommt Eriz in den Besitz der Stadt Bern. Das Zulgtal zählt geografisch und politisch zur Region Thun. Im obersten Teil könnte man aber annehmen, das Gebiet gehöre zum Oberemmental, wo Schangnau und Schallenbergpass so nah sind. Doch zwischen den Tälern der Zulg und dem Röthenbach erstreckt sich ein zumeist bewaldeter Rücken – die Honegg. Sie zieht die Grenzlinie zum Emmental und unterstreicht topografisch die eigenständige Geländekammer des Eriz. «Im Herzen sind wir Berner Oberländer:innen – doch steht uns das Emmental sehr nah», betont Daniel Kropf.
Das Wappen: In Rot ein silberner Rechtsschrägwellenbalken, überdeckt von einer ausgerissenen grünen Tanne mit goldenem Stamm. Der Wellenbalken symbolisiert die Zulg, die Tanne das Waldgelände. Geschaffen und offiziell angenommen wurde es 1938.
Von der Alpenwirtschaft zur Tourismusregion
Im Eriz gibt es heute noch 38 landwirtschaftliche Betriebe, wovon 18 von der Landwirtschaft leben. Die übrigen gehen daneben noch einer anderen Arbeit nach. «Seit meiner Kindheit hat sich vor allem die Landwirtschaft verändert», bringt es der gebürtige Erizer Kropf auf den Punkt. Die «Heimetli» mit zwei bis zwanzig Kühen sind grösstenteils verschwunden – die geregelte Arbeit wurde wichtiger. Damit es «längt» haben sich Höfe zusammengetan oder ihr Land verpachtet. «Früher hatte jedes Haus ein Stück Land (Heimetli) als Einkommen – unsere Gebäude stehen heute nicht leer, doch ihre Eigentümer bewirtschaften häufig das Land nicht mehr selber», beschreibt Kropf. Im Eriztal hat es einen Dorfladen und etliche kleinere bis mittelgrosse Gewerbebetriebe. Es habe von allem etwas, aber nichts in grossem Rahmen, so Kropf. Einige Landwirte betreiben Hoflädeli mit eigenen Produkten – u.a. gibt es Käsespezialitäten vom Alpsommer auf dem «Drüschhubel» und im Innereriz verkauft man Regionales aus dem Zulgtal.
«Wir hatten in den letzten zehn Jahren nur eine kleine Abwanderung – oft kommen die Leute wieder zurück an den Ort ihrer Kindheit, wo sie das elterliche Haus ausbauen.» Darunter auch junge Familien. «Leider haben wir nicht mehr viele Kinder im Eriz», erkennt Kropf. Vor ungefähr 60 Jahren lebten hier um die 150 Menschen mehr. Damals belegte man noch drei Schulhäuser. Heute gibt es in der Schulanlage Bieten die Basisstufe ab vier Jahren bis zur zweiten Klasse und die Mittelstufe für die Dritt- bis Sechstklässler:innen, danach gehen alle Schüler ins Oberstufenzentrum nach Unterlangenegg zur Schule.
Man habe das Kontingent an Bauland fast aufgebraucht, berichtet der Gemeindepräsident. Dank der vielen Renovationen freut er sich: «Der Häuserbestand ist aufgefrischt und in gutem Zustand.» Der Busbetrieb ist «bedürfnisorientiert, und die Busse sind je nach Wetter übervoll oder fast leer», anerkennt er. Das Wandergebiet ist weitherum bekannt, und im Winter lockt das Skifahr-Lern-Paradies im Innereriz bei Horrenbach – mit Skischule, Tellerlift und Bügellift.
Wilde Wasser – Wasser für viele
Im «Lindegrabe» fliesst normalerweise eine verträgliche Menge Wasser in einem Rohrkanal mitten durch den Erizer Kern, in der «Linde». Doch bei Gewitter und Starkregen kann dieses Wasser anschwellen – dann genügt der Durchgang nicht mehr. Diesem Risiko will man mit einem Ausbau – realisiert und finanziert durch die Schwellenkorporation Eriz-Horrenbach-Buchen – Gegensteuer geben und den Durchlauf sanieren. Ausserdem werden nach Bedarf Strassenunterhaltsarbeiten in verschiedenen Projekten ausgeführt.
Das Thema Wasser ist dem Gemeindepräsidenten ein Anliegen: «Unsere Wasserversorgung Eriz-Zulgtal ist ausgezeichnet und aus der Schöriz-Quelle sprudelt mehr als genug.» Derzeit läuft ein neuer Versuch zur Gründung eines Wasserverbunds mit den Gemeinden Oberlangenegg, Buchholterberg und Wachseldorn. Damit erhofft man sich eine finanziell tragbare Wasserverteilung für alle Beteiligten. Ein heisses Thema, vor allem jetzt, wo sich Trockenperioden häufen. «Ich hoffe, dass alle Gemeinden zustimmen, und wir den Wasserverbund realisieren können!» – Und was wünscht er sich für «sein» Eriz? Darauf antwortet der umsichtige Gemeindepräsident: «Das Tal so zu behalten, wie es ist – mit sanftem Tourismus, sowie Sorge zu tragen zu den Leuten und zur Landschaft.»
Barbara Marty
Zahlen und Fakten
Gemeinde: 3619 Eriz
Einwohner: 487
Fläche: 2178 ha
Wald: 948 ha
Höchster Punkt: 2062,7 m ü. Meer – Hohgant/Westgipfel
Steuerfuss: 1.80%