Ein Loblied auf den Duft
01.12.2022 ReportagenZimt, Nelken, Tannengrün und Vanille sind einige der typischen Weihnachtsdüfte. Nichts weckt Erinnerungen so stark wie ein Duft. Wie bringt man sein Bouquet ins Fläschchen? Und was hat es mit den ätherischen Ölen auf sich? Ein Ausflug in die Welt der Düfte.
Gleich nach der Geburt können Säuglinge noch nicht gut sehen. Sie finden den Weg zur mütterlichen Brust, weil sie die Milch riechen und der Geruchsquelle folgen. Der Geruchssinn bleibt für den Menschen sein Leben lang vor allem für die Nahrungsauswahl wesentlich. Unser Riechzentrum, das sogenannte olfaktorische System, befindet sich auf wenigen Quadratzentimetern Schleimhäuten im oberen Nasenbereich. Hier sind bis zu 30 Millionen Duftstoffrezeptoren, also Nervenzellen. Mit diesen werden die Duftstoffe in der Atemluft wahrgenommen, wie auch diejenigen in den Speisen, die beim Zerkauen im Mund entstehen und über eine Verbindung der Mund- und Nasenhöhle zur Nasenschleimhaut aufsteigen.
Erstaunlicherweise treffen wir viele Entscheidungen mit Hilfe unseres Riechvermögens. Denn das Schnuppern ist eng mit den Gefühlen gekoppelt, und der Mensch lässt sich trotz seines hochentwickelten Verstandes häufig von Emotionen leiten. Der Grund für die Kraft von Gerüchen liegt hier: Sie wirken unmittelbar im Gehirn, genauer im limbischen System. Dieses gilt als älteste Gehirnregion und als Zentrum der Emotionen. So kontrolliert es die Reaktionen bei Wut, Angst und Freude – und beeinflusst das Sexualverhalten, das Gedächtnis, die Merkfähigkeit und die vegetativen Körperfunktionen.
Gefühle entstehen in Wechselwirkung mit der Umgebung: Was wir sehen, riechen oder schmecken, gelangt über die Nervenbahnen ins Gehirn. Dieses verarbeitet die Informationen und bildet im limbischen System eine Emotion. Ätherische Öle gelangen also ohne Umwege ins limbische System. Hier beeinflussen sie unsere Emotionen und unseren Geist – sie lösen Angst, lindern Depressionen und Verstimmungen, fördern Konzentration und Schlaf, beruhigen oder regen an und stimulieren Erinnerungen.
Uraltes Wissen – Aromatherapie
So wirken alle Gerüche augenblicklich und beeinflussen Körper und Geist. In vielen Kulturen auf der ganzen Welt wird daher den ätherischen Ölen bis heute eine grosse Bedeutung beigemessen. Dass Duftessenzen auf besondere Art wirken, war schon den ältesten Völkern der Welt klar. Bereits vor Jahrtausenden setzten Ägypter, Griechen, Chinesen und Inder zu rituellen, kosmetischen oder heilenden Zwecken ätherische Öle ein.
Die Wirkung von Duftstoffen auf den menschlichen Organismus und erste Formen der Aromatherapie waren schon den Alten Ägyptern bekannt. Als eine der ersten Hochkulturen der Erde lebten sie etwa 3000 Jahre vor Christus. Zu jener Zeit war der Gebrauch von wertvollen Duftessenzen nur den Priestern und Herrschern vorbehalten. Naturreine Öle spielten für sie zeremoniell eine bedeutende Rolle: Sie dienten der Reinigung der Luft oder als Opfergaben für die Götter. Die duftenden Essenzen fanden zudem zu medizinischen Zwecken Anwendung in Form von Bädern, Raumdüften, Massageölen oder Heilmitteln. Zu Salben oder Pasten verarbeitet, wurden sie als Kosmetika benutzt. Eine der bekanntesten Anwenderinnen von diesen Erzeugnissen dürfte die ägyptische Königin Cleopatra gewesen sein.
Das systematische Gewinnen von Essenzen zu therapeutischen oder kosmetischen Zwecken hat sich aber erst sehr viel später entwickelt. Im Zuge des anhaltenden Trends hin zu mehr Natürlichkeit erleben ätherische Öle heute einen kräftigen Aufschwung.
Wie duftende Öle entstehen
Ätherische Öle sind duftende, hochkonzentrierte Pflanzeninhaltsstoffe. Sie beinhalten die Essenz – oder Lebenskraft – aus Samen, Stängeln, Wurzeln, Blumen, Blütenblättern, Blättern, Rinden, Früchten, Harzen, Nadeln und Zweigen einer Pflanze oder eines Baumes und können im menschlichen Körper auf Zellebene Regeneration auslösen. Es sind also keine gewöhnlichen Öle und so hinterlassen sie auch keine Fettflecken. Der Begriff «ätherisch» stammt aus dem Griechischen und lässt sich mit «Weite des Himmels» oder «engelszart» übersetzen, was auf ihren an sich fragilen und flüchtigen stofflichen Charakter hinweist: So verteilen sie sich schnell und gut in der Luft und verströmen da ihren Geruch – umso wichtiger ist eine schonende Verarbeitung.
Um ätherisches Öl zu gewinnen, gibt es verschiedene Herstellungsverfahren. Die gängigsten sind die Wasserdampfdestillation und die Expression. Bei der Wasserdampfdestillation landet das Pflanzenmaterial in einem speziellen Gefäss. Während Wasserdampf von unten nach oben strömt, nimmt er die hochflüchtigen Ölmoleküle auf und gibt sie bei der Kondensation wieder ab – sobald der Dampf durch die Kühlkammer läuft, bildet sich ätherisches Öl. Die Expression kommt vor allem bei Zitrusfrüchten zum Einsatz – durch das Raspeln der Schalen öffnen sich die «Ölbehälter». Das Öl wird ausgewaschen, zentrifugiert und gefiltert. Weil es hier keine hohen Temperaturen braucht, entsteht ein besonders natives Öl. Es empfiehlt sich immer auf Bio-Qualität zu achten. Beeindruckend zu wissen: Für die Gewinnung von wenigen Tropfen braucht es teilweise grosse Mengen Pflanzenmaterial. Etwa zur Herstellung von einem Gramm – das sind ungefähr 20 Tropfen – ätherischem Pfefferminzöl, benötigt man zirka 100 Gramm Pfefferminzkraut; für ein Gramm Rosenöl braucht es sagenhafte fünf Kilogramm Rosenblüten. Das teuerste Rosenöl ist das der Damaszener-Rose: Es wird im legendären französischen Parfüm «Chanel No. 5» verwendet. Zudem ist eine weltbekannte Leckerei mit Rosenwasser veredelt – das Königsberger Marzipan.
Wo ätherische Öle wirken
Da ätherische Öle die vegetativen Funktionen stimulieren und harmonisieren, können sie in unserem Körper verschiedene heilende Wirkungen hervorrufen: Sie lindern Schmerzen, lösen Schleim, fördern Auswurf, hemmen Entzündungen oder entkrampfen. Gelangen sie in den Blutkreislauf – über die Atmung oder weil sie auf die Haut gerieben in tiefere Schichten eindringen bzw. eingenommen werden – können diese Effekte sich noch verstärken. Ätherische Öle weisen zum Teil eine intensive antibakterielle und antivirale Wirkung auf. Der Grund dafür ist, dass die Ursprungspflanze diese Öle genau zum Schutz vor Keimen bildet. Daher wirken sie da besonders effektiv – sofern 100% naturrein und aus Bio-Anbau.
Unsere Assoziationen mit Düften sind vielfältig und stark – und auf einmal wird klar: Gefühle gehen durch die Nase. Wenn wir etwa Lavendel riechen, denken einige vielleicht an Entspannung oder Urlaub im Süden, bei Vanille an Geborgenheit oder das Eis, welches sie als Kind im Strandbad gegessen haben, und bei Zimt scheinen urplötzlich Wohlgefühl und Weihnachten nicht mehr weit.
Barbara Marty
Zehn beliebte Öle
Pflanze Wirkung
Lavendel
Beruhigend und wohltuend, hilft gegen Nervosität, Aufregung und Schlaflosigkeit. Lindert Stress.
Eukalyptus
Belebend und motivierend, steigert Konzentration, bei
Erkältungen inhalieren oder auf schmerzende Muskeln reiben.
Grapefruit
Belebend, lindert Melancholie, fördert Konzentration und Motivation, spendet Energie. Gut für Morgenmuffel!
Oregano
Verdauungsfördernd, appetitund magenanregend, hautpflegend.
Neroli
Lindert Ängste, Nervosität und Anspannung. Beruhigend, hilft in Stresssituationen (vor Prüfungen, Auftritten).
Pfefferminze
Erfrischend und belebend, hilft bei geistiger Erschöpfung und Überarbeitung, stärkt Konzentration. Mildert Kopf-, Nervenund Muskelschmerzen.
Rosmarin
Durchblutungsfördernd für Muskeln und Gelenke. Lindert Erschöpfungszustände nach geistiger Arbeit.
Rose
Stark entspannend: beruhigt Gefühle, lindert Ängste, löst Blockaden. Regeneriert wunde, trockene, entzündete Haut – zellregenerierend.
Vanille
Fördert Entspannung und Schlaf. Beruhigt, besänftigt, lindert Stress, stärkt Wohlbefinden und schenkt Geborgenheit.
Teebaum
Antibakteriell, entzündungshemmend, pilzabtötend. Schützt vor Insekten, fördert Wundheilung, reinigt Hautbild, lindert Erkältungssymptome und Stress.