Mystik und Magie in heutiger Zeit

  22.12.2022 Reportagen

Alte Bräuche und Rituale erleben derzeit Aufschwung und werden neu gelebt. Auch zum Jahresübergang und Neuanfang – Warum hängt nun aber die Weihnachtsmistel heute noch über der Türschwelle? Und was trägt der Barbarazweig in sich? Dem Ursprung vorgeschichtlicher Traditionen und Sitten auf der Spur.

Woher kommt das Wort «Weihnachten», warum schmückt man einen Christbaum und pflückt im Dezember Obstzweige? Viele hiesige Bräuche sind nur auf den ersten Blick eng mit der Kirche verbunden. Dahinter stecken oftmals die Traditionen der Kelten. Ihre Geschichte ist voller Geheimnisse. Viele christliche Kirchen wurden – nicht ohne Grund – direkt auf keltischen Kultplätzen errichtet. Die Kelten kamen angeblich aus der Steppe und siedelten sich im ersten Jahrtausend v. Chr. im südwestlichen Mitteleuropa an. Ihr Wissen überlieferten sie nur mündlich. Julius Cäsar besiegte die keltischen Stämme in Gallien, unterdrückt wurden sie schon davor. Schliesslich versuchten die Christen, die keltische Spiritualität zu verbieten.

Das Keltische stand im Einklang mit der Natur: Himmel und Erde waren untrennbar verbunden, die Religion war immer ein Teil ihres täglichen Lebens: Gott in allem und alles in Gott. Es gab keinen Glauben der Berechnung und Bestrafung und nichts zu befürchten – weder Tod noch Leben. Fleischliche Lust war keine Sünde. Die keltische Spiritualität lebt bis heute in vielen Märchen, Mythen, Sagen und eben auch in unseren Bräuchen weiter.

Das Rad der Zeit
Ein Brauch markiert gewisse Einschnitte im Leben und bringt den Lebenszyklus im fortwährenden Rad der Zeit zum Ausdruck. So gibt es Bräuche, die im Jahreskreis verankert sind – etwa Advent, Weihnachten oder Silvester. Sie bringen uns auch die Natur in Form der Jahreszeiten näher. Traditionelles Brauchtum findet sich auch im Zyklus eines Menschenlebens, in Form von Geburt, Taufe, Hochzeit und Tod. Bräuche führen den Menschen durch sein Leben und zeigen wichtige Stationen auf.

Heutzutage geschieht es oft, dass man Bräuche nur noch als Feiertage im Kalender wahrnimmt. Jedoch hat ein Brauch immer auch diese wesentliche Eigenschaft: Er holt eine Gemeinschaft raus aus dem Alltag. Man zelebriert ihn festlich und im Kreis von Familie und Freunden. Er zeigt uns eine andere Welt. Häufig erinnern wir uns gerade an die Anlässe, die mit einem Brauch und rituellen Handlungen verknüpft sind – etwa an ein Osterfeuer oder einen Weihnachtsbaum. Das Wort «Weihnachten» bedeutet «geweihte, heilige Nächte», und damit waren ursprünglich die «Raunächte» gemeint, in denen die keltischen Priester, die Druiden Weihehandlungen vollzogen, um die Menschen vor dem Zugriff der Finsternis, dem Lebensbereich der Dämonen, zu schützen.

Das Geheimnis der Mistel
Um sich vor den kosmischen Strahlen zu schützen, hängte man von alters her Mistelzweige auf. Die Mistel wird dem Element Feuer zugeordnet. Hierzulande glaubte man, dass die Mistel Feuer löschen und Blitzeinschlag abwehren kann. Ihr wurde auch nachgesagt, sie könne den Zugang zu anderen Welten öffnen. Der griechische Sagenheld Aeneas verschaffte sich damit Eintritt in die Unterwelt. Die Mistel diente als Schutz vor schwarzer Magie. Sie wurde daher oft über die Schwelle des Hauses gehängt. Die Weihnachtsmistel ist also Glücksbringer und Schutzpflanze – vor allem vom 1. Dezember bis 6. Januar.

Mistelzweige zur Weihnachtszeit
Die Mistel wurde bereits von den Kelten als Heilpflanze verwendet. Die Druiden schrieben ihr neben der organischen Wirkung auch einen magischen Einfluss zu. Mit der Mistel behandelten sie Sterilität, Epilepsie und Vergiftungen. Sie glaubten: Ein Amulett mit dreimal geweihtem Mistelblatt helfe Kindern gegen den bösen Blick. Man sollte es aber «sechsmal, an jedem Neumond erneuern». Ein Mistelzweig auf der Türschwelle schütze vor Alpträumen. Im Kuhstall aufgehängt sollte Mistelgrün der Kuh das Kalben erleichtern. Mistelzweige, die in der Heiligen Nacht an die Obstbäume gebunden werden, schützten diese vor Schaden. Ein Mistelzweig im Schlafgemach sollte zudem Kindersegen bringen.

Heute ist vor allem der glückverheissende Kuss unter dem Mistelzweig in Erinnerung geblieben. Dieser besagt: Küssen sich zwei Menschen unter einem Mistelzweig, werden sie ein glückliches Paar. Demnach kann eine junge Frau einen Kuss nicht verwehren, wenn sie unter dem Mistelzweig steht. Wird eine Frau unter dem Zweig nicht geküsst, muss sie davon ausgehen, auch im nächsten Jahr ledig zu bleiben.
Auch in der Antike war die Mistel von Bedeutung. Als Pflanze ohne irdische Wurzeln galt sie als mysteriös und heilig. Die Germanen schnitten Mistelzweige als Glücksbringer zur Wintersonnenwende. Der Tag der Wintersonnenwende am 21. Dezember mit der längsten Nacht auf der Nordhalbkugel war in vielen Kulturen besonders: Im vorderasiatischen Mithraskult wurde dann die Geburt des Lichtgottes gefeiert, im ägyptischen Isiskult die Geburt des Horus. Die Römer begingen die Sarturnalien zu Ehren des Saatgottes Saturn. Bis nach Skandinavien wurde schon in der Keltenzeit das Julfest gefeiert – ein Toten- und Fruchtbarkeitsfest.

Vorläufer des Christbaums
Ein weiterer Brauch der Mittwinterzeit waren bei unseren Ahnen die «Wintermaien». Dazu holten sie Obstzweige, die zum Blühen gebracht wurden, ins Haus. Am Tag der heiligen Barbara, am 4. Dezember, wurde so der Barbarazweig (Kirsche) geschnitten und drinnen ins Wasser gestellt. Sein Aufblühen bestimmte ursprünglich die Zeit der Wintersonnenwende – und später wurde es als Glück im kommenden Jahr gedeutet.

Grüne Zweige standen für Schutz und Fruchtbarkeit. Die Lebenskraft, die in immergrünen Pflanzen steckt, wurde als Heilkraft gedeutet. Die Römer schmückten ihre Häuser zum Jahreswechsel mit Lorbeerzweigen. In den Alpen verwendete man je nachdem Eibe, Stechpalme, Wacholder, Mistel, Buchs, Tanne und Fichte. Dies waren die Vorläufer des Weihnachtsbaums. Der erste erwähnte Weihnachtsbaum stand 1419 in Freiburg im Breisgau. Im 18. Jahrhundert wurde auch diese Sitte von der Kirche übernommen.

Neuanfang
Ab der Wintersonnenwende werden die Tage wieder länger – auch wenn dies nicht gleich sichtbar wird. Noch ist die Natur vollständig in sich gekehrt. Es ist die Zeit der Einkehr und Besinnung – die Dunkelheit hat vermeintlich gesiegt, und doch kehrt das Licht zurück. Jetzt ist ein guter Moment, um mit Fruchtlosem abzuschliessen und Neues zu beginnen.
Barbara Marty


Was immer du tun kannst oder träumst es tun zu können – fang damit an. Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich. Goethe


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