Eine Schule ist eine Schule – YEAH! ist eine neue

  02.02.2023 Reportagen

Seit einem halben Jahr beleben 16 Kinder und ihre Lernbegleiter:innen die Räume des ehemaligen Restaurants Schwandenbad in Steffisburg. Zusammen sind sie: die Schule YEAH! Im Gespräch mit der Schulleitung über Fokus, Freude und Verantwortung.

«She loves you, yeah, yeah, yeah!» Der Song war für die Beatles 1963 die Zündung zur «Beatlemania». Vielleicht verhalf der Ohrwurm auch dem Wörtchen «yeah» zu seiner weltumspannenden, freudvollen Energie. An und für sich bedeutet der Begriff auf Deutsch einfach «ja». Doch schwingt längst eine gehörige Portion Freude, schon fast Jubel in einem «yeah» mit – wobei dieser Anglizismus noch immer und auch hierzulande in regem Sprachgebrauch bei Gross und Klein ist. Wer nun aber, der das hier liest, würde über seine Schule – aktuell oder aus der Erinnerung – glattweg: «Yeah!» ausrufen? So toll war’s oder ist es da! Nun gut, um die Schule von gestern geht es hier nicht. Und die Beatles standen mit ihrem Lied auch nicht Paten für diese neue Schule mit Namen YEAH! in Steffisburg.
Nadja Finger und ihr Partner Michael sind die Schulleitung und gleichzeitig die Initianten: «Auf den Namen kamen wir beim Joggen – wir suchten für unsere Idee von Schule nach etwas Frischem und Eingängigem.» YEAH! bringt zweifelsohne Derartiges zum Ausdruck. Doch was ist eine Schule ohne Schulhaus? Die beiden Freigeister und Eltern von nunmehr bald zwei schulpflichtigen Kindern machten sich also auf die Suche nach einer Lokalität für ihre Vision. Dabei mussten sie gar nicht weit gehen. Die Steffisburger:innen fanden unweit ihres Daheims das leerstehende Haus des geschlossenen Restaurants Schwandenbad und wagten es, via Grundbuchamt anzufragen und ihr Mietinteresse zu bekunden: «Es war nicht ausgeschrieben, doch verlief alles reibungslos – wir hatten Glück und erhielten die Zusage.»

Von Lernbegleiter:innen und Forscher:innen

Natürlich gab es die Immobilie und die Lizenz zum Unterrichten nicht einfach so. Dahinter stecken sowohl ein Konzept mit Hand und Fuss als auch viel idealistisches Engagement seitens der Schulmacher: innen. Ausserdem bringt Nadja als schulische Heilpädagogin einen breit abgestützten Erfahrungsschatz aus unterschiedlichen Einsätzen in Schulen und aus Familienbegleitungen mit. Sie ist eine Allrounderin mit etlichen Spezialgebieten: So etwa ist es die Phase des Schulaustritts und Übertritts in die Berufswelt. Zudem hat sie ein regionales Unternehmen zur Wohn- und Arbeitsintegration für Menschen mit Beeinträchtigungen aufgebaut und geführt. In der Schule YEAH! ist sie eine der sechs im Kernteam tätigen Lernbegleiter:innen. Ihr Mann Michael kommt ursprünglich aus der IT-Branche, wo er in verschiedenen Unternehmen arbeitete. Sein Herz schlägt auch für die Musik. Er ist Gitarrist und Sänger in einer Band, Gitarrenlehrer und Audioproduzent. «Wir arbeiten derzeit sehr viel ehrenamtlich – die ersten vier Jahre sind entscheidend», hält Michael Finger fest. Bei YEAH! gibt es keine klassischen Lehrer:innen, vielmehr arbeiten da ausgebildete Lernbegleiter:innen (Lehrgang Zürich Intrinsic).

Halten Nadja und Michael in einer ihrer raren Pausen Rückschau auf das erste halbe Jahr, so lautet ihr Fazit: «Als lernende Organisation sind wir viel Spannendem begegnet und haben unsere anfänglich klaren Vorstellungen etwas angeglichen.» Regelrecht übermannt wurden sie von vielen helfenden und wohlwollenden Händen: Da sind etwa Eltern und Freunde, die den Schulbetrieb tatkräftig unterstützen, zum Beispiel mit Putzen oder Fahrdienst oder bei Projekten.
Die Schüler:innen, aktuell 16 an der Zahl, besuchen zumeist die Basisstufe. Darunter sind derzeit zwei «Homeschoolers», die nur einen Tag in der Woche da sind. «Die Kinder sind extrem motiviert und lebendig – die Kennenlernphase dauert zwar noch an, doch freuen wir uns über viele positive Rückmeldungen», resümiert Nadja Finger. Auffällig ist auch das Interesse von ausserhalb: «Viele Lehrkräfte wollen uns besuchen oder bei uns arbeiten, andere Schulen möchten einen Einblick in unseren Alltag erhalten, und die Presse will über uns schreiben.» Doch wie es sich für eine veritable Schule gebührt, geht der Unterricht vor und die Schulleitung muss allenthalben auch Absagen erteilen. Im Sommer 2023 werden vier Schüler:innen neu dazukommen. Hier laufen die Gespräche. «Wir wollen nicht schnell wachsen – wir wollen sorgfältig mit unseren Kindern und ihren Eltern arbeiten und ihnen das geben, was wir versprechen!»

Kerngedanken – Leitbild
Wie lautet der Leitgedanke der Schule YEAH!? Dazu gibt es eine Aussage, hinter der die Schulmacher:innen zu hundert Prozent stehen und welche die visionäre Grundhaltung auf den Punkt bringt: «Unsere Welt braucht eigenverantwortliche, kreative und beziehungsfähige Menschen, die wissen, was sie im Leben wollen, wie sie es erreichen und zum Wohl der Gesellschaft einbringen können.» Man will also die Stärke der Kinder entwickeln und fördern. Denn nur wo das Ich stark ist, können auch das Du und das Wir stark sein und das wiederum stärkt die ganze Welt. Grundsätzliche Fragen wie etwa: Wer bin ich? Was kann ich? Was brauche ich, dass ich das, was ich gerne mache, machen kann? Die Antworten darauf bilden die Persönlichkeit – YEAH!

«Wir brauchen auch Wirtschaftlichkeit», wirft Nadja Finger ins Feld. Wie hoch ist denn das Schulgeld? Der monatliche Familienbeitrag ist zwölf Prozent des Bruttoeinkommens bei einem Kind, 16 Prozent bei zwei und ab drei Kindern 20 Prozent. Die Beiträge für Homeschoolers werden pro Tag berechnet: mit drei Prozent bei einem Kind, fünf Prozent bei zwei und sechs Prozent ab drei Kindern. «Wir sind keine Eliteschule – am liebsten hätten wir kein Schulgeld», räumen Fingers ein. Effektiv betrügen die monatlichen Schulkosten pro Kind 1300 Franken. Derzeit sind die laufenden Betriebskosten jedoch noch nicht gedeckt. «Eigentlich bräuchten wir Spendengelder.» In der Tat kann man der Schule spenden oder mit ihr Patenschaften eingehen. Bereits fliessen viele ehrenamtliche Leistungen tagtäglich in den Schulbetrieb und das ist hochgeschätzt.

Für wen ist YEAH!?

Grundsätzlich ist YEAH! für Kinder ab vier Jahren bis zum Schulaustritt. Die Schule ist politisch und religiös unabhängig und heisst die verschiedensten Lebenskonzepte der Schüler:innen und Lernbegleiter:innen willkommen. «Unsere Kinder wohnen in der Gegend – von Linden bis Spiez sind sie verstreut und werden von ihren Eltern in Busgemeinschaften zu uns gebracht», so Nadja Finger. Die Kids sagen denn über ihre Schule: «I bi so wieni bi. Es fägt, i chume gärn.»

Eine veritable Schule – mit Lehrplan und allem, was dazu gehört

«Wir arbeiten zielorientiert und verbindlich», betont Michael Finger. Schliesslich ist YEAH! eine offiziell bewilligte Schule, die sich an den Lehrplan21 und an die üblichen Auflagen halten muss. Sehr zentral ist die Orientierung an den Interessen der Kinder. Derzeit laufen zudem zwei Wahl-Projekte: Beim einen widmet sich die Schule selbstbestimmt während einem Tag in der Woche den Piraten und beim zweiten sind es Pferde, mit denen die Kinder in echten Kontakt treten. Beim Themenspezifischen erhält YEAH! Support von ausserhalb; etwa vom örtlichen Schreiner, der beim Säbelfertigen hilft oder vom Pferdehof, der den Zugang zu Stall und Tier ermöglicht, sowie das Wissen Drumherum. Die Themen werden gekonnt in den übrigen Fächerstoff eingeflochten. Ganz im Sinne von vernetzt und integriert und mit viel YEAH!-Potential.
Barbara Marty

www.yeah-die-schule.ch

 


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