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Leben auf der Sonnenseite des Sees

  23.03.2023 Reportagen

Die Gemeinde Hilterfingen gilt als eine Wohnperle an der Thunersee-Riviera. Im Gespräch mit dem Gemeindepräsidenten Gerhard Beindorff über Seesicht, Schulen und Strategie.

Was für den Zürichsee die Goldküste, ist hierzulande das rechte Thunerseeufer mit seinen Gemeinden in bevorzugter Wohnlage. Die erste von ihnen, stadtauswärts am unteren See, ist Hilterfingen. Der Ortsteil Hünibach gehört mit eigener Postleitzahl politisch dazu. Wenn nachfolgend von Hilterfingen die Rede ist, so ist Hünibach häufig mit gemeint.

Die Zeiten, als man Weidetiere auf dem Seeweg von Hilterfingen nach Amsoldingen zur Bewirtschaftung von dortigen Weideflächen verschiffte, in deren Besitz man war, sind längst vorbei. Doch auch Hilterfingen hat seinen Ursprung im Bäuerlichen. Aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zur fast vollständigen Umwandlung des ehemals landwirtschaftlichen Bodens in Bauland. Heute gibt es im Ort keinen aktiven landwirtschaftlichen Betrieb mehr. «Nur wenige Flächen werden zumeist von Landwirten aus Oberhofen aktuell bei uns noch bewirtschaftet», führt Gemeindepräsident Gerhard Beindorff aus. Als Erwerbstätiger war er im internationalen Bankengeschäft engagiert und lebte einige Zeit mit seiner Familie in London. Vor dreissig Jahren bezogen sie in Hilterfingen Wohnsitz. Beindorff ging Ende 2012 in Frühpension. Seit zehn Jahren ist er nun als Gemeindepräsident im Amt. «Damit will ich der Gesellschaft etwas zurückgeben», betont er. Sein Engagement ist gross und dauert noch bis Ende 2024.

Wo einst der Wein heilig war
Auf der Gemeinde-Website ist nachzulesen, dass weite helvetisch-römische Gebiete ab dem 5. Jahrhundert von Alemannen-Stämmen erobert wurden. So entstand am Thunerseeufer die Siedlung «Hiltofinga». Ihr Name soll auf den Sippenführer Hiltolf, was «Kampfwolf» bedeutet, zurückgehen. Wieviel Kampfgeist heute noch einwirkt, bleibt offen. – Hilterfingen gehörte im Mittelalter zur Freiherrschaft Oberhofen, die 1398 an Bern fiel. Bis 1651 hatten in Oberhofen die Adelsfamilien Scharnachthal und von Erlach das Sagen. Von 1652 bis 1798 zählte man zur Landvogtei Oberhofen. Das Dorf war einst ein stattliches Fischer-, Bauern- und Winzerdorf. Die ersten Hotelbauten erfolgten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hünibach blieb bis Ende des 19. Jahrhunderts ein kleiner Weiler am Eingang zur Kohlerenschlucht. Viele Ländereien und Weinberge zwischen Hofstetten und Hilterfingen standen bis zur Reformation in klösterlichem Besitz. Die Schlösser und Güter zeugen zum Teil noch heute von vergangenen, prunkvollen Zeiten. Die geschichtsträchtigen Orte sind: die Chartreuse, das Schloss und Gut Eichbühl und das Schloss und Gut Hünegg. Die gängigsten Burgergeschlechter sind u.a.: Stähli, Berger, Ibach und Röthlisberger.

Seit wann am Thunersee Reben wachsen, schätzt man auf Ende des 13. Jahrhunderts. Die hiesigen Bauern wandten sich dann intensiv dem Rebbau zu, da dieser einträglicher war. Und eben die Reben sind auch im Wappen präsent mit diesem Beschrieb: «Gespalten in Rot und Silber, überdeckt von an einem goldenen Stickel rankenden, aus einem golden-grünen Dreiberg wachsenden, golden-grünen Rebstock mit zwei goldenen und zwei roten Trauben und zwei goldenen und zwei grünen Blättern.» Der Wein galt als geweihtes Getränk und als Nahrungs- und Stärkungsmittel für das Volk. Häufig hatte er auch eine Währungsfunktion inne. Die Geschichte von Hilterfingen ist bestens dokumentiert durch den ehemaligen Dorfarzt, Ehrenbürger und Dorfchronist Robert Ganz: Das neuste Werk, an dem er massgeblich mitwirkte, umfasst die Dorfentwicklung von 1893 bis 2020 und ist bei der Gemeinde erhältlich.

Wohnperle mit Seesicht
Gerhard Beindorff rühmt die Toplage seines Wohnorts ebenfalls. Als gebürtiger Hamburger und Weitgereister hat er viele Vergleichsmöglichkeiten. Doch haben ihn sein Heimatort Thun und seine Kindheitsjahre in Thun einhellig für die Gegend geprägt: «Ich gehöre zu den Privilegierten und wohne am Hang mit unverbaubarer See- und Bergsicht.» Die bevorzugte Wohnlage hat natürlich ihren Preis. Das erschwert in der Gemeinde Aufgewachsenen erschwinglichen Wohnraum zu finden. «Es leben bei uns viele ältere Leute: einige ziehen erst nach der Pensionierung von auswärts zu uns», so Beindorff. Die Wohnlage, Süd-/Süd-West ausgerichtet, die Stadt vor den Füssen – das sind sehr begehrte Kriterien. Wohnen, wo andere ihre Ferien verbringen, passt hier obendrein plakativ. «Wir haben noch Baulandreserven, die wir für nächste Generationen behalten möchten», sagt er. Wogegen Bauland von privat vermehrt ausgeschöpft wird. Überdies werden ebenfalls von Privat alte Liegenschaften abgerissen und verdichtet wieder aufgebaut. Die Gemeinde verzeichnet ein bescheidenes Bevölkerungswachstum. In zwei Jahren wird es weniger Schüler haben, so lautet die Prognose. Dazu der Gemeindepräsident:: «Das sind erfahrungsgemäss normale Schwankungen, die man nicht reglementieren kann in einem freien Markt.»

Renaturiert, saniert und revitalisiert
Gerhard Beindorff hat mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat sehr viele Projekte umgesetzt. Insbesondere auf der Infrastruktur-Ebene sind Wasser- und Abwasserleitungen ein Dauerthema. Aber auch sichtbare Veränderungen wie etwa: «Der neue Werkhof mit Feuerwehrmagazin war mein erstes Projekt als frischgebackener Gemeindepräsident.» Die Hüneggkurve wurde unlängst renaturiert und revitalisiert. Der Ort erfreut sich grosser Beliebtheit weit über die Region hinaus. Auch die Ländtematte in Hünibach mit «Buvette» lädt vor allem im Sommer Jung und Alt zum lauschigen Verweilen ein. Sehr erwähnenswert ist zudem die Schulinfrastruktur als aktuell grösstes Unterfangen. Hier geht es in erster Linie um den partiellen Neubau und die Gesamtsanierung mit neuer Turnhalle des Schulhauses Friedbühl in Oberhofen – ein 30-Millionen-Paket. Wo sich Hilterfingen zu 65 Prozent beteiligt, Oberhofen übernimmt 35 Prozent. Die beiden Gemeinden formen zusammen mit Heiligenschwendi den Schulverband. «Aufgrund Einsprachen und Unstimmigkeiten hat sich das Ganze verzögert», so Beindorff. Man ist froh diesen Herbst den Betrieb der Sporthalle aufnehmen zu können. Wenn Friedbühl Ende 2025 abgeschlossen ist, geht es danach im denkmalgeschützten Schulhaus Eichbühl in Hilterfingen mit deren Innensanierung weiter.

Der Hochwasserschutz wird die Gemeinde zudem inskünftig weiter beschäftigen. Im Gebiet des Hünibachs laufen erste Planungen gemäss der Naturgefahren-Karte des Kantons. Auch das Eichgräbli ist im Visier. Schaut Gerhard Beindorff auf Umsetzungen zurück, stellt er fest: «Nicht selten ist der pragmatische Ansatz in Projekten zielführender, als so manches Strategiepapier.»
Barbara Marty

Zahlen und Fakten
Gemeinde:
3656 Hilterfingen mit 3626 Hünibach
Einwohner: 4079
Fläche: 280 ha
Wald: 110 ha
Höchster Punkt: 1030 m. ü. M.
Steuerfuss: 1.55 www.hilterfingen.ch

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