Mehr Leute brauchen mehr Infrastruktur
09.03.2023 ReportagenDas Wachstum in Heimberg stellt die Gemeinde vor vielfältige Herausforderungen. Im Gespräch mit der Gemeindepräsidentin Andrea Erni Hänni erfahren wir, was Heimberg zudem ausmacht und im Weiteren beschäftigt.
Auch eine Gemeinde ist mehr als die Summe ihrer Teile. Ein erheblicher Teil von ihr sind die Menschen, die da leben und arbeiten. Das ist auch in Heimberg so: «Hier wohnen alle möglichen Bürgerinnen und Bürger – wir sind sehr vielfältig», umschreibt Andrea Erni Hänni. Sie fand vor 17 Jahren ihr Daheim in Heimberg, wo die gebürtige Zugerin seit 2013 im Gemeinderat mitwirkt. Gemeindepräsidentin ist sie im dritten Jahr. Sie ist eine sehr nahbare und offene Person. Daher hat sie sich im 2020 bei jeder Heimbergerin und bei jedem Heimberger mit Lebenslauf und Motivationsschreiben um die freie Stelle als Gemeindepräsidentin beworben. Eine aussergewöhnliche Geste, die ihre volksnahe Gesinnung unterstreicht und offensichtlich gut ankam. Sie ist eine engagierte Gemeindepräsidentin, die es wichtig findet, sich für die Gesellschaft und ein gutes Zusammenleben einzusetzen.
Heimberg zählt zu den ersten Berner Oberländer Gemeinden im Aaretal mit fabelhafter Sicht auf Alpen und Voralpen. Gegen Osten grenzt man an die Hügellandschaft des Emmentals, westlich und nördlich an das Mittelland. Eine gut ausgebaute Infrastruktur mit Hallenbad, Minigolf und Sauna, Sportzentrum/ Tennishalle, Einkaufszentren und verschiedenen Schulanlagen ist vorhanden. Die hauptsächlichen Ortsteile heissen: Obere Au und Untere Au, Dornhalde und Kaliforni. Heimberg ist ein attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort: gut gelegen und verkehrstechnisch 1A erschlossen – im nördlichen Umland von Thun, urban und trotzdem mit typischem Dorfcharakter. «Es macht Freude, in Heimberg zu leben», sagt Andrea Erni Hänni begeistert.
Von Schäfern und Töpfern
In Heimberg fand man römischen Ziegelschutt als Zeugnis einer frühen Besiedlung. Der Dorfname stammt aus alemannischer Zeit und wurde als «Berg des Haimo» (Haimo/Heimo = alter Personenname) gedeutet. Im frühen Mittelalter: nur spärlich besiedelt, bestand der Ort aus drei bis fünf Höfen. Im 12. Jahrhundert waren die Freiherren von Thun und Strätlingen die Mächtigsten in der Gegend. Die Herren von Thun besassen das heutige Gemeindegebiet. Im Jahre 1146 tauchte Ritter Burkhart von Heimberg auf: die erste Nennung Heimbergs gilt als Geburtsstunde der Gemeinde vor 877 Jahren. Urkunden und Funde belegen, dass es im Buechwald eine Holzburg «zu Heimberg» gegeben hat. Vier namentlich erwähnte Heimberger Bauern erschienen 1402: Hans Schertz, Hensli Hartschi, Thomatz Jenni und Hensli Wantfluh. Mit höchster Wahrscheinlichkeit hielten sie Schafe. Das fahnentragende Schaf als Wappentier auf azurblauem Grund und grünem Berg deutet zumindest auf die verbreitete Schafzucht hin. Nach dem Thuner Spitalmeister herrschten hier: die Herren von Bubenberg, dann Heinrich Matter und die von Erlach und May als Lehensherren. Die Lehensbauern kauften sich am 9. Februar 1619 von ihrer Herrschaft frei.
Die Kinder gingen den weiten Weg bis nach Steffisburg zur Schule. Erst 1681 erhielt der Ort einen Schulmeister. Kirchengenössig war man in Thun und später in Steffisburg angegliedert. Am 1. Januar 1988 ging ein grosser Wunsch in Erfüllung: Die Gemeinde bildete eine eigene Kirchgemeinde mit Kirche und Kirchgemeindehaus. Die Familiennamen: Hänni, Kratzer, Gasser, Gurtner und Tschanz gehören zu den Hiesigen.
Durch das Töpfergewerbe entwickelte sich Heimberg sehr stark. Es erreichte seinen Höhepunkt um 1850 mit zirka 80 Töpfereien. Das Aufkommen von industriellem Porzellan verdrängte das alte Handwerk. Nach 1870 fanden daher viele Töpfer:innen in der aufkommenden Industrie Thuns eine neue Arbeit. Heimberg hat heute noch eine Erlebnistöpferei und zwei Töpfereien. 1996 feierte der Ort seinen 850. Geburtstag mit einem grossen Fest. «Unser neuer Museumsverein Heimberg verfügt über eine Fülle an Informationen zur reichhaltigen Ortsgeschichte», freut sich Andrea Erni Hänni.
Generell pflegt Heimberg mit über 40 Vereinen ein lebhaftes Vereinsleben. «Wir haben heute noch sieben aktive, landwirtschaftliche Betriebe – zum Teil mit Hofläden.» Ausserdem gibt es eine florierende Gewerbelandschaft – «mit sowohl international tätigen Firmen, als auch lokalen KMUs, wir sind auch da sehr vielseitig», so Erni Hänni. Trotz wirtschaftlich schwierigen Zeiten blieben die meisten Unternehmen bestehen. Da die Gemeinde kleinflächig ist, bilden firmenseitige Expansionsbestrebungen stets ein Problem: «Wir verfügen leider über keine grossen Flächen», gibt Erni Hänni zu. So oder so spannend: Der neu entstehende Wohn- und Gewerberaum auf dem vormaligen Gelände der Rigips.
Wachstum und Gemeinschaftssinn
Für die Heimberger:innen bringen die Herausforderungen aufgrund ihrer Bevölkerungszunahme derzeit einige Veränderungen: «Wir haben in Folge viele Projekte, die wir umsetzen müssen», informiert Andrea Erni Hänni. Eigenständig und fortschrittlich geht man der Zukunft entgegen: «Es sollen alle bei uns Platz haben, und wir wollen gut durchmischt bleiben», sagt die soziale Gemeindepräsidentin. So ist der aktuelle 10-Prozent-Anteil Schulkinder zwar erfreulich, doch braucht es nun ein neues Schulhaus. Daher ist dessen Projektierung in der unteren Au das Bauprojekt der Stunde für die ganze Gemeinde. Denn die «alte» Schule – mit Zyklen 1 bis 3, plus Tagesschule – platzt aus allen Nähten. Zudem ist eine Mehrfachhalle für die Schule und die Vereine dringend nötig.
In Heimberg ist der Hochwasserschutz ein Riesen-Thema. «Bei der Längsvernetzung Zulg wurde der Projektierungskredit genehmigt, nun steht die Detailplanung an – danach kommt das Projekt vor das Volk», informiert Erni Hänni. Bei weiteren Gewässern wie Krebsbach und Laueligraben besteht ebenfalls Handlungsbedarf.
Andrea Erni Hänni schätzt es, wenn Bürgerinnen und Bürger sich einbringen: «Nur mit Fragen und Rückmeldungen können wir uns verbessern!» Für die Umsetzung von wichtigen Massnahmen des Verkehrsrichtplans wurde der Kredit nicht angenommen, so lautet ihre Aussage: «Hier sind wir gefordert, mehrheitsfähige Lösungen zu finden.» Für die Gemeindepräsidentin und ihre Teamkolleginnen und -kollegen stehen die Anliegen der Bevölkerung im Zentrum: So hat sie etwa die Aufhebung der 80-km/h auf der Bernstrasse noch nicht ganz aufgegeben und will da beim Kanton «nochmals Gas geben!» Und wer weiss: Vielleicht fährt auch einmal sonntags der Bus durch das beschaulich pulsierende Heimberg.
Barbara Marty
Zahlen und Fakten
Gemeinde: 3627 Heimberg
Einwohner: 7137
Fläche: 540 ha
Wald: 170 ha
Höchster Punkt: 792 m ü. Meer
Steuerfuss: 1.60
www.heimberg.ch