Das weite Land von Horrenbach-Buchen

  27.04.2023 Reportagen

In diesem Gebiet ist die Fläche dünner besiedelt als in Norwegen. Auf einem Quadratkilometer wohnen hier nur elf Einwohner: -innen. Der Gemeindepräsident von Horrenbach-Buchen Wilhelm Balmer fährt mit uns im Auto durch sein wildes Daheim.

Eigentlich liegt Horrenbach-Buchen unweit von Steffisburg. Zumindest der westliche Ortsteil Buchen, im linken Zulgtal. Bis da sind es zirka sieben Kilometer Kantonsstrasse. Nach weiteren sechs Kilometern und einer insgesamt 20-minütigen Autofahrt durch Wald, Gräben, über Hügel und um Kuppen herum – vorbei an Bauernhöfen, Speicher und Stöckli – erreicht man schliesslich östlich des Zulggrabens, Horrenbach. Für ungeübte Autofahrende ist die Strecke abenteuerlich, und im Winter bei Schnee vielleicht gar nicht erst empfehlenswert. Wohlverstanden: das schmale, oft steile Gemeinde-Strässchen ist zumeist einspurig mit einigen Ausweichstellen, aber fast keinem Gegenverkehr. Die Einheimischen meinen scherzhaft, ihr Wohnort sei «zentral abgelegen». Sei’s drum: Wer hier lebt, mag die Abgeschiedenheit.

Der östliche Teil der Gemeinde Horrenbach, liegt nicht nur geografisch näher bei Eriz. Um da hinzugelangen, durchquert man die Gemeinde Teuffenthal, welche Buchen und Horrenbach zweiteilt. Wobei auf der ganzen Strecke mit der veränderten Höhenlage und der phasenweise weiten Sicht, die Perspektiven sprichwörtlich mehrmals wechseln. Übrigens, fährt der STI-Bus Richtung Teuffenthal, von Steffisburg nach Buchen bis beispielsweise zum Schulhaus bei der Kirche – in 13 Minuten. Nach Horrenbach, am Fusse des Hohgants, ist es per Bus kompliziert, gar unmöglich. Am ehesten führt wohl die Bus-Linie via Innereriz zu diesem sehr abgelegenen Fleck oder wenigstens in seine Nähe. Einheimische sind daher stets im Auto unterwegs und heissen häufig Hadorn oder Jaun.

Horrenbach-Buchen liegt am schattigen Hang der Sieben Hengste auf 1000 Metern über Meer und besteht in heutiger Grösse seit zirka 1712. Von der Fläche her ist es die viertgrösste Gemeinde im Verwaltungskreis Thun. Jedoch ist sie nur zu 1,5 Prozent besiedelt und zu 50 Prozent landwirtschaftlich genutzt, 10 Prozent sind unproduktiv, also Felsen und Gebirge; weitere 38 Prozent ist Wald. Das Gemeindewappen wird so umschrieben: «Der weisse Streifen symbolisiert den Bach in der Mitte für Horrenbach und die Buchenblätter stehen für Buchen. Die Sterne repräsentieren die zwei Orte Buchen und Horrenbach.» Noch gibt es Holz, Wasser und Landwirtschaft: grösstenteils zur Genüge. Holzunternehmen, Quellen, Bäche, Brücken und Stege – sowie 21 aktive landwirtschaftliche Betriebe zeugen davon; wobei die Landwirte auch hier tendenziell rückläufig sind.

«Wir sind kein Dorf, haben kein Zentrum; im Grunde genommen sind wir zwei unzusammenhängende Ortsteile», sagt Gemeindepräsident Wilhelm Balmer. Als gebürtiger Stadt-Berner kam er 1985 aus Liebe direkt aus dem Tscharnergut in die Gegend und ist gerne dageblieben. Seine Frau ist eine Buchenerin. Zusammen wohnen sie in ihrem Haus im «Joneli» in Buchen. Wilhelm Balmer ist gelernter Mechaniker und Andrucker und seit elf Jahren Gemeindepräsident. Er ist kein Mann der vielen Worte. Zufrieden, «gwärchig» und bescheiden ist er heute eindeutig ein Hiesiger.

«Zu uns kommen im Winter viele zum Skifahren», sagt er und lächelt verschmitzt, als ich mich daraufhin nach dem örtlichen Skilift erkundige. Zum Merken: Die «Geisseggbrücke», also die Zulg bildet die Grenze, und auf der Südseite der Brücke liegt Horrenbach. Der Skilift Eriz ist also auf Horrenbacher Boden. Ebenso der Innererizer Gasthof Schneehas. So verfügt man noch über ein Restaurant im Ort. «Und im Sommer sind wir Ausgangspunkt für viele schöne Wanderungen, etwa auf die umliegenden Alpen oder über die Sichle durch das Justistal bis Sigriswil und auf die Seeseite», gibt er einen Überblick. Natürlich ist man dem Eriz und seinen Menschen sehr wohl gesinnt und Wilhelm Balmer betont: «Wir sind im Eriztal-Tourismus bestens integriert und neu auch Mitglied der Berner Wanderwege.»

«Gäg füre u gäg änne»
Das zweigeteilte, weitverstreute Siedlungsgebiet von Horrenbach-Buchen ist topographisch bedingt unterschiedlich ausgerichtet. Das heisst: Die Leute in Buchen orientieren sich «gäge füre», also nach Steffisburg; wogegen sich die Menschen im entlegenen, sogenannten Inner-Horrenbach in der Kirchgemeinde und mit vielem «gäg änne», also mit Eriz gruppieren: Ihre Kinder besuchen seit der Schliessung der Schule Horrenbach im Jahr 2009 das Schulhaus Bieten in Eriz. Die Gemeinden Homberg, Teuffenthal und Horrenbach-Buchen bilden zusammen die Schulgemeinschaft «Linke Zulg». Dazu wurde damals das Schulhaus Buchen ausgebaut. «Nun ist seine Dachsanierung einschliesslich Photovoltaikanlage fällig – darüber wird an der Gemeindeversammlung im Frühling abgestimmt», informiert der Gemeindepräsident.

Berggebiet mit Wasserrecht
Horrenbach-Buchen ist zwar mit Wasser reich beschenkt. «Doch seit den Trockensommern haben auch wir Probleme mit Wasserknappheit», bedauert Wilhelm Balmer. Dies obschon vor über hundert Jahren die Steffisburger hier Wasser kauften um es fortan zu beziehen und den Menschen am Hang im Gegenzug ein grundverbuchtes Wasserrecht gaben. Das heisst: «Wir müssen für Wasser nichts bezahlen; da es nicht aufbereitet wird, haben wir aber eine Abkochverfügung», erklärt Balmer. In der Regel fliesst es quellfrisch und Trinkwasser-tauglich, ausser bei Unwetter. In der Gemeinde laufen nun verschiedene Wasserprojekte, um für die Zukunft und den Wasserwandel gewappnet zu sein.

Bei 200 Einwohnern behält man leicht den Überblick. «Man kennt einander», bestätigt der Gemeindepräsident. Zudem ist, wer hier aufwächst, eng mit dem Daheim verbunden. Wenn etwa nach einem Unwetter die Strasse unpassierbar wurde, helfen alle einander und räumen eigenständig auf, «das ist für uns normal», sagt Wilhelm Balmer. Drei Wegmeister, zum Teil Landwirte, unterhalten die Strassen und Wege – ohne Werkhof. Spätestens jetzt ist klar: das Leben kann hier oben ganz schön wild und rau sein.
Barbara Marty


Zahlen und Fakten
Gemeinde: 3623 Horrenbach-Buchen
Einwohner: 232
Fläche: 2040 ha
Wald: 775 ha
Höchster Punkt: 1954 m ü. Meer
Steuerfuss: 1.70
www.horrenbach-buchen.ch


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