Die Littering-Effekte sind omnipräsent

  19.05.2023 Reportagen

Als Littering bezeichnet man das achtlose Wegwerfen und Liegenlassen von Abfall im öffentlichen Raum und in der Umwelt. Die grassierende Unsitte verursacht grossen Schaden für Natur, Tier und Mensch, sowie unnötige Kosten. Am meisten gelittert werden: PET, Aludosen, Zigarettenfilter, Kaugummi und Plastik.

Die Auswirkungen von Littering sind so vielfältig wie die Art der Abfälle, mit der die Menschen leichtfertig um sich werfen. Doch warum eigentlich? Auch die Gründe für Littering sind vielschichtig. Zum einen spielen dafür eine Rolle: Bequemlichkeit, Faulheit, Gleichgültigkeit, Achtlosigkeit oder mangelndes Bewusstsein; aber auch: verändertes Freizeitund Konsumverhalten. Dazu lauten die Stichworte etwa: «Take-Away», «Energy-Drinks» und «Coffee-to-go» mit irrwitzigen Verpackungsmaterial-Schlachten. «Rund 30 Prozent des im öffentlichen Raum anfallenden Abfalls landet nicht in den Abfallkübeln, sondern wird achtlos weggeworfen», so tönt es von offiziellen Stellen.

Manche Leute littern aber auch, weil sie sich dabei cool fühlen, und wieder andere tun es aus Gedankenlosigkeit, oder sie sind zu faul, die zehn Schritte bis zum Abfallkübel zu gehen. Den meisten von ihnen fehlt es wohl generell an Wertschätzung – zuoberst sich selbst gegenüber. Denn nur wer sich als wertig und wertvoll fühlt, kann auch die Umwelt und die Nachwelt wertschätzen. Oder etwa nicht? Seis drum: Littering entsteht meist nicht in fester Absicht und vielen Bürger:innen sind die damit verbundenen Effekte nicht oder viel zu wenig bewusst. So wissen viele immer noch nicht, wie umweltschädlich etwa weggeworfenes Zigarettenmaterial ist.

Zigaretten gefährden mehrfach
Zigarettenfilter machen 30 bis 40 Prozent des Abfalls aus, der in Städten anfällt. Ein Zigarettenstummel besteht massgeblich aus einem Filter. Herkömmliche sind aus Cellulose-Acetat, das Chemikalien enthält. Dieses künstliche Material erzeugt stets Plastikmüll. Unachtsam weggeworfen können die Filter von Tieren für Nahrung gehalten und verschluckt werden, wobei sie obendrein damit verhungern können. In einer Zigarette stecken bis zu 4000 Chemikalien, wie: Arsen, Blei, Chrom, Kupfer, Cadmium, Formaldehyd und Benzol. Regen spült die Schadstoffe aus den Filtern, die so in den Boden sickern oder ins Gewässer gelangen können.

Bereits ein Zigarettenstummel pro Liter Wasser reicht aus, um die Hälfte der darin schwimmenden Fische zu töten – kleinere Wassertiere reagieren auf die Giftstoffe noch sensibler. Ein Zigarettenfilter kann demnach 40 bis 60 Liter sauberes Grundwasser verunreinigen. Achtung! Einweg-E-Zigaretten sind aus Plastik und enthalten eine Lithium-Ionen-Batterie. Beides kann wiederverwertet werden. Verkaufsstellen sind verpflichtet, die Geräte zurückzunehmen und fachgerecht zu entsorgen. In der Schweiz werden 9,7 Milliarden Zigaretten pro Jahr konsumiert. Davon landen im Schnitt bis zu zwei Drittel auf dem Boden und bis zu 80 Prozent werden generell unsachgemäss entsorgt.
Die alternativen ökologischen Filter gibt es bisher nur als lose Filter zum Selberdrehen von Zigaretten zu kaufen. Neben der bewussten Auswahl von Tabakwaren hilft es sehr, gerauchte Zigaretten in einem Abfallkübel zu entsorgen, und zwar im Hauskehricht. Dagegen unsachgemäss sind das Entsorgen im Kompost, in der Grüntonne, in einem Gully oder über andere Wege ins Abwassersystem!

Wurzeln der Meere – Flüsse
Wenn PET in die Umwelt gelangt, entsteht Mikroplastik in der Umwelt und somit irgendwann auf unseren Tellern. Man geht davon aus, dass sich Kunststoffe nie vollständig auflösen. So werden die Mikroplastikpartikel zwar kleiner, bauen sich aber nicht ab. Durchschnittlich fünf Gramm davon erreichen pro Woche den Magen-Darm-Trakt von jedem Menschen. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Welche Auswirkungen das Mikroplastik im menschlichen Körper hat, ist noch zu wenig ausgewogen erforscht. Für Tiere, die PET mit Nahrung verwechseln und als Silage fressen, ist der Stoff tödlich.

Im weltweiten Vergleich steht die Schweiz ganz vorne mit einem jährlichen Plastikverbrauch von 127 Kilogramm pro Kopf. Jede Schweizerin und jeder Schweizer produziert in zwölf Monaten 95 Kilogramm Kunststoffabfälle. Zudem werden hierzulande 2700 Tonnen Plastik pro Jahr gelittert. Das Meer beginnt plastisch in der Schweiz. Denn Flüsse sind die Wurzeln der Meere. Jedes Jahr gelangen insgesamt um die 9 Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere – sowie: 14 000 Tonnen Makro- und Mikroplastik in die Schweizer Umwelt. So sammeln sich jährlich 100 Tonnen Makroplastik – also Plastikteile, die grösser sind als 0,5 Zentimeter – in Schweizer Gewässern und 4400 Tonnen im Boden. Unsichtbar sind dagegen die Mikroplastikpartikel: Sie sind sowohl in unseren Seen als auch in unseren Auen und belasten sogar den Schnee der Alpen und abgelegene Bergseen.

Das Problem ist langlebig
Abfall in die Umwelt zu werfen oder liegenzulassen, dauert wenige Sekunden. Doch die Zeit, die er dann da verweilt ist weitaus länger. Es kann bis zu 450 Jahre dauern, bis eine Plastikflasche so weit zerfällt, dass die Einzelteile von Auge nicht mehr erkennbar sind. Aluminium braucht für das Verrotten bis zu 100 Jahre. Getränkedosen sind erst nach bis zu 200 Jahren vollständig abgebaut. Bei Aluminiumfolie kann dies sogar 700 Jahre dauern. Im Boden trägt Alu zur Übersäuerung bei. Getränkedosensplitter verleihen zudem dem Weidevieh sprichwörtlich «Flügel», zerschneiden innere Organe und führen zu massivem Leiden.

Papiertaschentücher brauchen bis zu fünf Jahre, bis sie vollständig zersetzt sind und ein Plastiksack etwa 120 Jahre. Ein Zigarettenstummel verrottet in 10 bis 15 Jahren. Pro Jahr werden in der Schweiz rund 2000 Tonnen Kaugummis gekaut. Herkömmliche bestehen aus Erdöl gewonnenen Kunststoffen. Man geht davon aus, dass sieben von zehn Kaugummis am Boden kleben bleiben. Durchschnittlich 80 ausgespuckte Kaugummis kleben in der Stadt auf einem Quadratmeter. Dieser Abbau dauert bis zu fünf Jahre. Oft geschieht die Reinigung mit energie- und wasserintensiven Spezialgeräten im Hochdruckheisswasser-Verfahren. Jedoch hinterlässt jeder entfernte Kaugummi auf dem Asphalt für immer sichtbar einen Fleck. Barbara Marty

IG Saubere Umwelt: www.igsu.ch
Littering-Toolbox: www.littering-toolbox.ch
OceanCare: www.oceancare.org


Zahlen Schweiz pro Jahr

Plastikkonsum: 127 Kilogramm pro Kopf

Kunststoff-Abfälle: 95 Kilogramm pro Kopf

Littering Plastik: 2700 Tonnen

Kosten Littering-Beseitigung: zirka 200 Millionen Franken

Davon Dreiviertel: tragen die Gemeinden – also stets voll die Steuerzahlenden

 


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