«Sie wollen gewinnen, nicht Zweite werden»

  18.04.2024 Sport-Reportagen

Gemeinsam mit den Schwingerkönigen Christian Stucki, Matthias Sempach, Kilian Wenger und Matthias Glarner prägte Matthias Siegenthaler während vielen Jahren den Schweizer Schwingsport. Hätte nicht eine schwere Knieverletzung den Mann, der sich auch als Schönschwinger einen Namen gemacht hat, jäh gestoppt und ihn 2018 zum Rücktritt gezwungen, wer weiss, ob neben seinen drei eidgenössischen Kränzen nicht auch noch der Königstitel sein Palmarès zieren würde.

Die Zeiten, als Siegenthaler auf den Schwingplätzen bei den Organisatoren und den Zuschauenden ein gern gesehener Athlet war und stets zu den Siegesanwärtern zählte, gehören seit dem Oberländischen Schwingfest 2018, wo er seinen 80. und letzten Kranz holte, leider der Vergangenheit an. Nebenbei sei erwähnt, dass er an diesem Fest im Anschwingen den heutigen Dominator Fabian Staudenmann auf den Rücken gelegt hat.

Nach der schweren Knieverletzung, die er 2015 erlitten hatte, kämpfte er sich mit harter Arbeit zurück, doch das Knie war nie mehr so, wie es für einen Spitzenschwinger sein sollte. Im Sägemehl trifft man Siegenthaler zwar seit sechs Jahren nicht mehr an, doch seinen Lieblingssport verfolgt er immer noch aufmerksam, unter anderem als Experte beim Lokalsender Tele-Bärn. Er ist nahe am Geschehen und deshalb könnte auch keiner vor dem Saisonauftakt mit dem Mittelländischen am 12. Mai in Riggisberg die Chancen der Berner besser einschätzen, im Jahr, in dem das Jubiläumsfest 125 Jahre Eidgenössischer Schwingerverband in Appenzell den Höhepunkt bildet.

Staudenmann und Walther
Wie alle Freunde des Schwingens ist auch Matthias Siegenthaler von den beiden die Szene dominierenden Bernern Fabian Staudenmann und Adrian Walther begeistert. «An ihnen gefällt mir alles, das Gesamtpaket stimmt. Ihre athletische Verfassung ist beeindruckend und wird von Jahr zu Jahr noch besser. Sie begehen keine Fehler, schwingen intelligent und sind auch in konditioneller Hinsicht auf der Höhe. Sowohl Staudenmann als auch Walther schwingen ruhig. Sie wollen gewinnen und nicht Zweite werden, sie haben hohe Ambitionen und arbeiten hart und seriös, mit grosser Leidenschaft, um diese Ziele auch zu erreichen», sagt Matthias Siegenthaler.

Was zeigt Bernhard Kämpf?
Auch den stärksten Thuner Schwinger, den 95-fachen Kranzgewinner Bernhard Kämpf, verfolgt Matthias Siegenthaler aufmerksam. «Er hat schon jetzt eine grosse Karriere absolviert, trainiert hart und ich traue ihm durchaus zu, dass er weiterhin zu den Besten gehört. Kämpf hat schon alle starken Schwinger bezwungen, er versteht es, sich mental auf jedes Fest optimal vorzubereiten und ist bereit, aus jeder Lage einen Schwung anzubringen. Sehr stark ist Kämpf auch am Boden.» Bleibt die Frage, ob der Einheimische auch noch am Eidgenössischen 2028 in Thun in die Zwilchhosen steigen wird. «Kämpf ist dann 40 Jahre alt, er wird selbst entscheiden müssen, ob er bis 2028 weiterschwingen will», so Siegenthaler.

«Bis 2028 geht es noch lange und es ist nicht klar, ob ich dann überhaupt noch schwinge. Bin ich doch noch aktiv und habe das Gefühl, dass ich um einen Kranz schwingen kann, wäre meine Teilnahme nicht ausgeschlossen, aber ich muss eine realistische Chance sehen, sonst überlasse ich den Platz lieber einem Jungen», sagte Bernhard Kämpf kürzlich gegenüber dem Thuner Amtsanzeiger.

Auch andere Berner sieht Matthias Siegenthaler im Kampf gegen die ausserkantonalen Spitzenschwinger wie Samuel Giger, Pirmin Reichmuth, Armon Orlik und Joel Wicki in einer aussichtsreichen Position. «Matthias Aeschbacher ist aufgrund seiner variantenreichen Standschwüngen auch ein Siegesanwärter und immer gut für Spitzenplätze. Weitere Berner wie Remo Käser, König Kilian Wenger, Michael Ledermann oder Severin Schwander starten mit hohen Erwartungen in die Saison.

Moser und Hiltbrunner
Zwei jungen Schwingern mit Jahrgang 2005 traut Matthias Siegenthaler ebenfalls eine rosige Zukunft zu. Michael Moser holte in der vergangenen Saison bereits fünf Kränze, unter anderem auf dem Brünig und am Bernisch Kantonalen. Fabio Hiltbrunner gewann Kränze am Oberländischen, Emmentalischen und Jurassischen und siegte Ende März am Abendschwinget in Langenthal. «Beide sind sehr talentiert und fokussiert, in der kommenden Saison ist von ihnen einiges zu erwarten.» Pierre Benoit


Eidgenössisches in Thun

Das übernächste Eidgenössische Schwing- und Älplerfest findet Ende August 2028 zum zweiten Mal nach 1956 auf dem Waffenplatz in Thun statt. Die Abgeordneten des Schwingerverbands sprachen sich einstimmig für die einzige eingereichte Kandidatur aus. OK-Präsident ist der König von 2016, Matthias Glarner, der das Amt nach Albert Röstis Wahl in den Bundesrat übernommen hat. Das nächste Eidgenössische wird 2025 im Glarnerland durchgeführt.


Siegenthalers grösste Erfolge

Drei eidgenössische Kränze (2010/13/16) 8 Kranzfestsiege (Schwarzsee 2014, Bern-Jurassisches 2010 und 2014 (mit Sieg im Schlussgang über Christian Stucki), Mittelländisches 2010, Solothurnisches 2009, Oberländisches 2007, Oberaargauisches 2006, Seeländisches 2005). Total 80 Kränze. Mitglied im Schwingklub Trub.


Matthias Siegenthaler

wurde am 10. Juli 1985 geboren. Er wuchs in Trub im Emmental auf, lebt in Hondrich und arbeitet in Gwatt als Bauleiter. Siegenthaler ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. 2018 musste er wegen Knieverletzungen vom Schwingsport zurücktreten. Heute ist er nebenamtlich als Schwing-Experte für den Regionalsender TeleBärn tätig.


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