Wacker Thuns Lage bereitet Bauchschmerzen, doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt

  05.12.2024 Sport-Reportagen

Der Blick auf die Tabelle der Quickline Handball League mag derzeit manchem Wacker-Thun-Fan Bauchschmerzen bereiten. Vor der gestrigen Partie beim RTV 1879 Basel (nach Redaktionsschluss) belegen die Thuner den letzten Platz, die Verletztenliste ist lang, die Sorgenfalten auf den Stirnen von Trainern und Spielern werden tiefer und tiefer. Doch bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.

Die Hälfte der Partien in der Qualifikation sind erst gespielt, für Wacker geht es in der zweiten Hälfte darum, sich wie im Vorjahr mindestens auf Platz 8 vorzuarbeiten und die Playoffs zu erreichen. Dieses Vorhaben scheint auch deshalb realistisch zu sein, weil der eine oder andere der dauerverletzten Schlüsselspieler wie Ron Delhees, Yannick Schwab und Damien Guignet wieder fit und einsatzbereit sein wird. Mit einer lästigen Rückenverletzung, einem mit Cortison-Spritzen behandelten Bandscheibenvorfall, fällt auch Topskorer Cedric Manse aus. Er hofft, in diesem Jahr noch ins Geschehen eingreifen und dem Team helfen zu können. «Momentan sitze ich an den Spielen als Motivator und Antreiber auf der Auswechselbank und unterstütze das Team so gut es geht. Läuft es gut, bin ich etwas ruhiger, wenn nicht, steigt der Puls», sagt der schmerzhaft vermisste Rückraumspieler.

«Nicht dort, wo wir sein wollen»
Auf die aktuelle Situation angesprochen, sagt Cedric Manse: «Wir stehen nicht dort, wo wir sein wollen. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

Viele Verletzungen, einige kranke Spieler, kaum ein Mann aus dem Rückraum konnte während mehr als einem Monat ohne Unterbruch dabei sein. Zwar läuft es im Angriff schon besser, doch fehlen uns in der Abwehr noch ein paar Prozent. Wir müssen in jedem Spiel auf unserem höchsten Niveau spielen, wenn wir punkten wollen. Dazu kommt, dass die Liga bedeutend ausgeglichener geworden ist und jeder noch so kleine Fehler bestraft wird. Die Spiele sind hart umkämpft, spannend und gehen oft mit einem sehr knappen Resultat aus, deshalb auch ist die Konstanz, die uns leider noch fehlt, äusserst wichtig.»

Die Derbies gegen den BSV
Zuletzt zeigte Wacker Thun nach einer gänzlich missratenen ersten Halbzeit und einem Sechs-Tore-Rückstand nach der Pause gegen den BSV Bern eine beeindruckende Leistung und holte noch einen Punkt. Derbys scheinen Wacker zu liegen, in den letzten Jahren hiess der Sieger in diesen hartumkämpften Begegnungen meist Wacker, auch in dieser Saison blieb der BSV Bern noch sieglos. «Diese Partien sind immer sehr speziell, weil es auch um die Vorherrschaft im Kanton geht. Dass wir zuletzt nur sehr selten verloren, hat sich möglicherweise in den Köpfen der BSV-Spieler eingeprägt», sagt Manse, der als Knabe eigentlich hätte Fussballer werden sollen.

Der Beginn beim FC Lerchenfeld
Nachdem er mit seiner Mutter und der älteren Schwester aus Ägypten, dem Heimatland seines Vaters, in die Schweiz zurückgekehrt war, spielte Cedric Manse als Knirps unter anderem mit dem heutigen Bundesliga-Spieler des TVB 1898 Stuttgart Lenny Rubin, zusammen beim FC Lerchenfeld im Nachwuchs. «Ein Schulkollege nahm mich dann an ein Handball-Training mit und ich war sofort begeistert. Das ständige Hin und Her und die vielen Tore gefielen mir, es hat mir den Ärmel reingezogen und seit diesem Tag bin ich Handballer.» Manse durchlief sämtliche Juniorenstufen bei Wacker, holte sich zwischenzeitlich beim Partnerteam TV Steffisburg Erfahrung in der Nationalliga B und kehrte als Spielmacher und Goalgetter zurück. Mit einer für einen Rückraumspieler im Handball nicht überragenden Grösse von 1,81 m baut Manse auf andere Qualitäten als die 2-Meter-Riesen, die hochsteigen und über die Abwehrmauer abschliessen. «Mit Schnelligkeit, guter Technik und verschiedenen Wurfvarianten lässt sich die fehlende Grösse kompensieren. Zudem hat sich unser Sport enorm entwickelt und sind rasche und variantenreiche Kombinationen heute genauso gefragt und erfolgversprechend wie Abschlüsse aus dem Hinterhalt», sagt der Mann, der bei Wacker auch für die Ausführung der Penaltys zuständig ist.

Nervenstärke, Erfahrung, Technik
Ob im Eishockey, Fussball oder Handball: Das Duell Schütze gegen Goalie ist für die Beteiligten immer eine grosse Herausforderung. Cedric Manse ist bei Wacker Thun der Spezialist für die Würfe aus sieben Metern. Auf die Frage, was das Geheimnis der erfolgreichen Schützen ist, sagt Manse: «Es braucht starke Nerven, viel Erfahrung, Coolness im Kopf, eine gute Technik und mehrere Wurfvarianten. Es gilt, dem Goalie etwas zu verkaufen, ihn zu überraschen. Manchmal weiss ich bereits wenn ich den Ball in die Hand nehme, was ich tun werde, ein anderes Mal warte ich die Reaktion des Torhüters ab. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, erfolgreich zu sein», so Manse, der bei seinen Siebenmetern eine beachtliche Erfolgsquote von rund 85 Prozent aufweist.

Ambitionen im Cup
Neben dem Vorrücken in der Tabelle der Quick Handball League hat Wacker ein weiteres Saisonziel: das Weiterkommen im Cup. Nach dem Sieg im Achtelfinal über den derzeitigen Tabellendritten HSC Suhr Aarau wartet am 21. Dezember im Viertelfinal der TSV St. Otmar in St. Gallen auf die Thuner, dann hoffentlich wieder mit Cedric Manse als Denker und Lenker auf dem Feld, statt als Motivator auf der Spielerbank.

Der Zuzug von Ante Gadza
Als wichtigen Eckpfeiler im Hinblick auf die Qualifikation für die Playoffs nennt Cedric Manse den Zuzug des kroatischen Rückraumspielers Ante Gadža. Der Nationalspieler Kroatiens, der bisher ausschliesslich in seinem Heimatland und in Mazedonien spielte, wurde aufgrund der zahlreichen Verletzungen nach Thun geholt. Cedric Manse zum neuen Teamkollegen: «Er ist ein hervorragender Spieler und ein toller Mensch. Er kennt den Handballsport wie nicht mancher, von ihm können wir viel lernen, da ist unseren Verantwortlichen ein guter Transfer gelungen.»

Wenn Cedric Manse Lob verteilt, wollen wir von ihm auch wissen, wie er Trainer Remo Badertscher in dieser nicht ganz einfachen Phase erlebt. «Er ist im privaten Leben Lehrer und bleibt das auch bei uns in der Halle, er ist überall Lehrer. Das heisst, dass auch wir in jedem Training etwas lernen. Er ist sehr kompetent, gibt uns gewisse Freiheiten, ist aber auch fordernd. Haben wir im Spielerrat Ideen, wie man ein Problem lösen könnte, ist er durchaus gesprächsbereit und lässt mit sich diskutieren.» Badertscher seinerseits ist glücklich, Manse zu seinem Team zu zählen. Nach der Vertragsverlängerung in diesem Frühjahr meinte er: «Ich freue mich auf zwei weitere Jahre mit Cedi. Er ist ein Eigengewächs, in dem noch viel mehr Potential steckt, als er manchmal selbst glaubt. Schafft er es, seine Fähigkeiten noch regelmässiger auf den Platz zu bringen, werden wir noch viel Freude an ihm haben. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass ihm das mit zunehmender Routine gelingen wird.»
Pierre Benoit


Cedric Manse wurde am 16. August 1997 in Ägypten geboren. 2005 kehrte er mit seiner Mutter und seiner Schwester in die Schweiz zurück. Bei Wacker Thun durchlief er ab der U13 sämtliche Juniorenstufen. Nach der Saison 2021/22 stiess er vom TV Steffisburg (Nationalliga B) zu Wacker. Sein Vertrag läuft bis 2026. Hauptberuflich ist Manse zu 80 Prozent als Berater und Verkäufer von Boden- und Wandbelägen bei der Frischknecht AG Thun tätig.

 


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