Wer die dreifache Löwin ärgert, steht auf der Verliererseite

  06.03.2025 Sport-Reportagen

Sie ist 19-jährig, geboren im Sternzeichen des Löwen, heisst Leona, was nichts anderes bedeutet als Löwin, ist eine der besten Schweizer Beach-Volleyballerinnen und kämpft im 128 Quadratmeter grossen Beach-Volleyballfeld im Sand um jeden Punkt – so wie es sich für eine Löwin geziemt.

Man weiss es aus der Tierwelt: Löwen und Löwinnen sind voller Energie, stolz, stark, und selbstbewusst. Sie lieben die Herausforderung und das Drama. Stellt sich ihnen jemand entgegen, fühlen sie sich verletzt, denn sie wollen stets gewinnen. All diese Charaktereigenschaften, welche die stolzen Löwinnen auszeichnen, lassen sich auf Leona Kernen, die wohl talentierteste Schweizer Hoffnung im Beach-Volleyball, übertragen.

Neu mit einer Olympia-Medaillengewinnerin im Team

In den vergangenen vier Jahren spielte Leona Kernen an der Seite von Annique Niederhauser, doch weil diese zwei Jahre älter ist, feierte Kernen ihre grössten Erfolge im Nachwuchs zusammen mit Muriel Bossart, mit der sie unter anderem 2021 (bei den U18) und 2024 (U20) EM-Gold gewann. Erfolgreich blieb sie ebenso mit Standardpartnerin Annique Niederhauser, auch sie eine Berner Oberländerin, unter anderem mit dem Gewinn von Silber an der Weltmeisterschaft U21 im Jahr 2023.
Weil Nina Brunner, die bisherige Standardpartnerin von Tanja Hüberli, nach dem Gewinn der olympischen Bronzemedaille 2024 in Paris wegen Schwangerschaft eine Pause eingelegt hat, begab sich Hüberli gezwungenermassen auf die Suche nach einer neuen Defense-Partnerin und wurde in der Person der Bernerin Leona Kernen schnell fündig. «Wir tranken zusammen einen Kaffee und für mich war sofort klar, dass ich mir diese Chance nicht entgehen lassen will», sagt die Berner Oberländerin mit Wurzeln in Spiez, Volleyball-Erfahrung in Thun und neuerdings wohnhaft in Bern, wo sie trainiert. In Bern wohnt auch ihre neue Mitspielerin, die Zürcherin Tanja Hüberli, was die Trainingsgestaltung wesentlich erleichtert. Hüberli bringt einiges mehr an Erfahrung auf den Platz, mit 32 Jahren ist sie um 13 Jahre älter und entsprechend routinierter als ihre neue Teamkollegin. Doch trotz des grossen Altersunterschieds stimmt die Chemie im Team. Einziges Fragezeichen: die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles. Hüberli ist dann 36-jährig. Hat sie noch den Willen und die Energie, sich täglich zu quälen und weiter um olympisches Edelmetall zu fighten? «Mein Fernziel sind ganz klar die nächsten Olympischen Sommerspiele. Im Beach-Volleyball spielt sich immer alles in einem Vierjahres-Rhythmus ab, da ist Olympia zentral», sagt Leona Kernen. Doch nicht allein Los Angeles hat sie im Auge. «In diesem Jahr an den Europameisterschaften in Düsseldorf und den Weltmeisterschaften im australischen Adelaide, so wir uns für die Teilnahme qualifizieren, wollen wir auch vorne dabei sein», sagt die zweifache Junioren-Europameisterin.» Die Aussichten stehen gut. Das neue Team kommt mit der mitgenommenen Hälfte der in der letzten Saison erspielten Punkte auf ein Total von 3846, was in der Weltrangliste bereits einen Rang unter den ersten Dreissig ergibt und in den Turnieren der höchsten Kategorie einen Startplatz garantiert.

Die Erfahrung mit der Familie Gerson

Im Beach-Center im Beaumont trainiert das Duo Hüberli/Kernen derzeit unter der gestrengen Leitung von Mirco Gerson, 2021 selbst Olympiateilnehmer, der zusammen mit dem Esten Rivo Vesik, auch er Olympionike, die beiden Beach-Volleyballerinnen zum Schwitzen bringt. Acht Trainingseinheiten zu je zwei Stunden stehen wöchentlich auf dem Programm, derzeit weilt das Duo zum zweiten Mal im Trainingslager auf Teneriffa, wo noch härter trainiert und an den Details gefeilt wird.
Mit der Familie Gerson – Vater, Mutter, Sohn und Tochter sind alle vom Volleyball-Virus infiziert – waren und sind fast alle Erfolge Leona Kernens verbunden. Bei Vater Marc absolvierte sie ein paar Talent-Trainings, Sohn Mirco ist ihr heutiger Trainer und an der Seite von Tochter Dunja stand Leona Kernen an den letzten Schweizermeisterschaften auf dem Siegertreppchen.

Eine sportliche Familie
Leona Kernen ist in einer sportlichen (Patchwork)-Familie aufgewachsen. Mutter Silvia war Volleyballerin, Vater Thomas Hartmann spielte für die Young Boys, Bulle und Lausanne insgesamt 144 Partien in der Nationalliga A und schoss als Stürmer beachtliche 52 Tore und auch Leona versuchte sich als Mädchen in anderen Sportarten, in der Leichtathletik und im Tennis und fuhr auch regelmässig Ski. Noch heute greift sie in den Ferien gerne zum Racket und duelliert sich mit der Familie. «Es sind immer sehr ausgeglichene Partien, oft gewinne ich», sagt die Löwin, die auch auf dem Tenniscourt nicht gerne verliert.
Pierre Benoit


Leona Kernen wurde am 25. Juli 2005 in Spiez geboren. Sie spielte für den VBC Münsingen, den VBC Thun und für Volley Oberdiessbach und war Tennisspielerin im TC Spiez. Am Sportgymer im Feusi Bildungszentrum machte sie die Matura. Leona Kernen lebt in Bern.

Erfolge:
Zusammen mit Muriel Bossart gewann sie 2021 Gold an der U18-EM in Ljubljana (Slo), Silber an der U20-EM 2023 in Riga (Lat) und Gold an der U20-EM 2024 in Myslowice (Pol).

Mit Menia Bentele holte sie 2021 an der U21-WM in Phuket (Tha) Bronze.

Mit Annique Niederhauser gewann sie 2023 an der U21-WM in Roi Et (Tha) Silber.


Trainer Mirco Gerson: «Leona ist sehr talentiert»

Mirco Gerson, mehrfacher Schweizermeister, Olympia-Teilnehmer und bis zu seinem Rücktritt einer der stärksten Schweizer Volleyballer, trainiert und coacht das Duo Tanja Hüberli/Leona Kernen im Beachcenter Bern und ist des Lobes voll über die 19-jährige Leona: «Sie ist sehr talentiert, lernwillig und besitzt eine schnelle Aufnahmefähigkeit. Man sieht bei ihr sofort, dass sie sehr früh mit Volleyball begonnen hat, sie besitzt ein sehr gutes Ballgefühl und versteht den Sport; kurz und gut, sie weiss, worum es geht, wenn man Erfolg haben will. Es ist verständlich, dass ihr die Routine noch abgeht, doch in dieser Hinsicht profitiert sie sehr viel von Tanja. Deren Abgeklärtheit und Erfahrung sind Gold wert, auf und neben dem Feld.» Im grossen Altersunterschied von 13 Jahren sieht Mirco Gerson kein Problem. Im Gegenteil: «Ich weiss aus meiner Erfahrung, dass es für eine junge Spielerin oder einen jungen Spieler von Vorteil sein kann, wenn er von der Erfahrung der Partnerin oder des Partners profitieren kann, wenn es auf die internationale Bühne geht.»


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote