«Wir werden uns vor der Konkurrenz nicht verstecken»

  17.07.2025 Sport-Reportagen

Wenn am Sonntag, 27. Juli, im Cornaredo der Match FC Lugano – FC Thun angepfiffen wird, ist es für Leonardo Bertone nach fünfjähriger Abwesenheit eine Rückkehr in die Super League. Damals verliess er die Thuner in Richtung Belgien, wo er beim SK Waasland-Beveren einen Dreijahresvertrag unterzeichnete.

Zu Beginn der Saison 2022/23 kehrte der ehemalige YB-Spieler zum FC Thun zurück, mit dem er nach dem souveränen Aufstieg Ende der vergangenen Spielzeit nun endlich wieder ganz oben mitspielen wird, so wie vor seinem Abgang nach Belgien. Die Rückkehr in die Super League war auch für einen der Routiniers im Thuner Ensemble eine ebenso emotionale wie langersehnte Angelegenheit. Als zweifacher Meister mit den Young Boys ist sich der Mittelfeldspieler zwar Erfolge gewohnt, doch die Promotion mit dem FC Thun war trotzdem ein ganz besonderer Moment. «Nach dem definitiv feststehenden Aufstieg begleiteten mich ganz andere Gefühle als beim ersten Meistertitel mit YB. Damals war für mich alles neu. Als junger Spieler erlebte ich wilde Feierlichkeiten, jetzt in Thun war alles anders. Ich genoss die Emotionen bedeutend bewusster, fühlte, wie wir alle Leute, die in irgendeiner Form zu diesem Erfolg beigetragen haben, glücklich machen konnten, auch unsere treuen Fans», sagt Leonardo Bertone mit einem Blick zurück auf die Festivitäten, welche die Promotion begleiteten. Den Erfolg genossen die Thuner zu Recht, doch damit ist es jetzt endgültig vorbei. Es gilt, sich seriös auf die Saison vorzubereiten, die erste in der Super League seit fünf Jahren, und das erfordert volle Konzentration und hundertprozentigen Einsatz aller Beteiligten.

Dem höheren Niveau anpassen
«Für uns geht es einerseits darum, uns vor der Konkurrenz nicht zu verstecken, raschestmöglich dem Niveau der Super League anzupassen, andererseits aber auch, uns selbst treu zu bleiben und unser Spiel beizubehalten, das wir in der Challenge League erfolgreich praktizierten», sagt der Mann mit dem harten Schuss, den jeder gegnerische Goalie, auch in der Super League, fürchtet. Über die Zielsetzung hat man in Thun noch nicht ausführlich gesprochen, noch bleiben gut zwei Wochen Zeit, um sich darüber zu unterhalten. «Ich denke, der Unterschied zwischen der höchsten und der zweithöchsten Spielklasse ist nicht mehr so gross, wie er einmal war. In den Vorbereitungsspielen haben wir dies gesehen. Wir werden uns vor der Konkurrenz nicht verstecken, im Bewusstsein, dass im Fussball immer alles möglich ist», sagt Leonardo Bertone und erwähnt den Sieg, den der FC Thun im Blitzturnier am Burkhalter-Cup gegen das grosse YB errungen hat, mit keinem Wort. Dies hat zwei Gründe: Einerseits ist er erfahren genug, um einem solchen Erfolg keine Bedeutung beizumessen. Da ist einmal die Tatsache, dass derartige Ergebnisse nicht überschätzt werden dürfen, da gilt es aber auch zu berücksichtigen, dass Bertones Herz immer auch noch ein wenig für seinen Stammklub schlägt. «YB wird immer mein Verein bleiben, dieser Klub hat mir den Weg zu meiner Karriere erst ermöglicht. Spiele ich heute gegen YB, ist dies vergleichbar mit den «Mätschli» während der Schulzeit. In der Pause spielte ich immer mit und gegen Freunde und wollte trotzdem immer gewinnen. Etwa so fühlen sich heute Partien gegen YB an, weil ich dort immer noch viele gute Kollegen habe.»

Lustrinellis Spielphilosophie
Der hervorragende Teamgeist, die Spielphilosophie, mit der die Qualitäten jedes Spielers zum Tragen kommen, ein Kader, das gut harmoniert und Ausfälle jederzeit gleichwertig ersetzt werden können und der Wille, Fehler des Nebenmanns auszubügeln sind für Bertone weitere Gründe für den Erfolg des FC Thun. Und nicht vergessen will er auch Trainer Mauro Lustrinelli und die sportliche Führung um Präsident Andres Gerber und Sportchef Dominik Albrecht. «Mauro Lustrinelli lebt uns vor, dass der Teamgedanke über allem steht. Er lebt die Philosophie und die DNA des FC Thun. Und Verwaltungsrat Beat Fahrni hat auch für einen höchst positiven Schwung gesorgt.»

Beginn am Wohlensee
Begonnen hat Leonardo Bertone im Alter von acht Jahren vor seiner Haustüre, beim SC Wohlensee. «Ich durfte in den höheren Alterskategorien mitspielen, was mir gefiel, weil dort mein älterer Bruder kickte», blickt Leonardo – der Löwe – Bertone in seine Anfangszeiten zurück. Zwei Jahre später, an einem Turnier, ging die Zeit beim SC Wohlensee bereits zu Ende. «In Jegenstorf spielten wir im Halbfinal gegen YB, verloren zwar, doch bei der Preisverteilung kam der YB-Trainer auf mich zu und fragte, ob ich Lust hätte, ein Probetraining zu besuchen.» Bei YB entwickelte sich der Mann mit dem harten Schuss schon bald zum Regisseur. Auf allen Juniorenstufen war er Chef im Mittelfeld und wurde von den Coaches des Schweizerischen Fussballverbands von der U15 bis zur U21 stets in die nationalen Auswahlen aufgeboten.

Der Wechsel in die USA
Nach zwei Meistertiteln verliess Bertone die Young Boys in Richtung USA, weil er eine neue Herausforderung suchte. Doch obwohl er in den Staaten gutes Geld verdiente, entschloss er sich bereits nach einem Jahr zur Rückkehr in die Heimat. «Ich erlebte dort zwar eine gute Zeit, doch mir fehlte im Team der absolute Siegeswille. Verloren wir, ging man zum Abendessen und nahm das nicht besonders tragisch, hohe Ambitionen waren nicht vorhanden. Dies entsprach nicht meiner Art, Fussball zu spielen und deshalb entschied ich mich zur Rückkehr.» Finanziell musste er danach zwar einige Abstriche in Kauf nehmen, «doch das war für mich nicht tragisch, weil ich ganz andere Sachen wichtiger einstufe. Das Geld stand nie im Vordergrund, in den USA fehlte mir damals ganz klar die Leidenschaft, die ich heute im FC Thun hautnah miterleben darf.»

Pierre Benoit


Leonardo Bertone
wurde am 14. März 1994 in Bern geboren. Er begann seine Karriere beim SC Wohlensee und wurde bereits im Alter von zehn Jahren von YB entdeckt. Er durchlief alle Juniorenstufen bei YB und debütierte in der Saison 2011/12 im Fanionteam der Berner, wurde 2018 und 2019 Meister. Ein Jahr spielte er in den USA für Cincinnati und wechselte danach zum FC Thun. 2020 – 2022 beim SK Waasland-Beveren in Belgien, seit 2022 FC Thun. 13 U21-Länderspiele.


Im Cup gegen Breitenrain
Am Vorsaison-Turnier auf dem Spitalacker in Bern schlug der FC Thun nicht nur die Young Boys mit 2:1, sondern auch den gastgebenden FC Breitenrain mit 2:0 und sicherte sich den Turniersieg. Nun wollte es das Los, dass der FC Thun in der ersten Cuprunde wieder auf den altehrwürdigen «Spitz» reist, wo er auf den FC Breitenrain aus der Promotion League trifft. Das Spiel findet zwischen dem 15. und 17. August statt. Auf dem Sportplatz Spitalacker verlor die Schweiz am 25. Mai 1911 ein Länderspiel gegen England mit 1:4.


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