Wo seit jeher der Wald im Zentrum steht

  15.06.2023 Reportagen

Die Streusiedlung Oberlangenegg liegt auf einer Hochebene im Hügel- und Berggebiet, grenzt an das Emmental und ist stark bewaldet. Das Bauland der Gemeinde ist ausgeschöpft. Der Gemeindepräsident Ueli Aeschlimann ist noch bis Ende Jahr im Amt. Im Gespräch mit ihm geht es um Konfusion, Fusion und Vision und natürlich um Oberlangenegg.

Oberlangenegg liegt an der Schallenbergstrasse. Hierhin gelangt man mit der Postautolinie Thun–Schwarzenegg–Heimenschwand–Eriz stündlich in ungefähr 30 Minuten Fahrzeit ab Thun Bahnhof. Für nicht Einheimische können die geläufigen Ortsbezeichnungen für Konfusion sorgen. Denn bekanntlich gibt es: Oberlangenegg und Unterlangenegg, aber keine Gemeinde Schwarzenegg. Jedoch existiert die Bezeichnung postalisch. Schwarzenegg ist aber nur ein Ortsteil, der sich je zur Hälfte in beide Gemeinden ausdehnt. Für Fremde ist es daher schwierig, zu unterscheiden, von welchem Schwarzenegg nun die Rede ist. Gemeindepräsident Ueli Aeschlimann hält schmunzelnd fest: «Schwarzenegg ist für uns so etwas wie ein Dorfkern.»

In der zersiedelten Gemeinde ist die Landwirtschaft dominant. Sie ist auf Vieh- und Milchwirtschaft ausgerichtet. «Zurzeit sind noch 27 landwirtschaftliche Betriebe aktiv und werden zumeist im Nebenerwerb bewirtschaftet», berichtet Ueli Aeschlimann. Er ist hier geboren und aufgewachsen und wohnt im Ortsteil Weier. Aeschlimann ist in seinem neunten Amtsjahr. Ende Jahr will der pensionierte Armeeangestellte/Abteilungsleiter den Stab übergeben. Seine Nachfolge ist aufgegleist. Er freut sich auf das Auskosten der vielen Wandermöglichkeiten hier: «auf dem Chnübeli ist es zu jeder Jahreszeit schön mit fantastischer Sicht, und auch das Moos hat es mir vor allem im Winter angetan!» Das Präsidium sei herausfordernd und bereichernd zugleich, resümiert er. Am meisten schätzt er den Kontakt mit den Leuten und das sehr gute Verhältnis mit den Ratsmitgliedern.

Grosse Investitionen – kleine Gemeinde
Seit Anfang Jahr bezieht man das Wasser aus der Schörizquelle und ist Teil des Wasserverbundes rechtes Zulggebiet. In der Vergangenheit hatte Oberlangenegg grosse Auslagen: So investierte man in ein neues Feuerwehrmagazin. Weitere Gelder flossen in das Oberstufenzentrum in Unterlangenegg und in den Um- und Ausbau des Schulhauses Brucheren. Das Senken des Steuerfusses ist momentan nicht möglich, da weitere Projekte anstehen: zum Beispiel soll der Limpbach renaturiert werden. Zudem sorgt eine unübersichtliche und gefährliche Strassensituation am Kreuzweg für Verkehrsprobleme. Der Ball liegt für beide Projekte seit längerem beim Kanton und dieser lässt auf sich warten oder will sich in keiner Mitverantwortung sehen. Ueli Aeschlimann findet: «Der Kanton sollte die kleinen Gemeinden mehr fördern. Mit dem neuen Fusionsgesetz ist es nicht getan. Ich wünsche mir mehr Akzeptanz und Unterstützung.»

«Innetem und ussertem Wald»
Oberlangenegg besteht aus «innetem Wald» mit den Ortsteilen: Kreuzweg, Süderenlinden und Aettenbühl und aus «ussertem Wald», wo die Ortsteile heissen: Stalden, Fischbach, Schwand, Weier, Brucheren und Dürren. «Ussertem Wald» befinden sich die Gemeindeverwaltung und die Schule. Apropos Schule: Das Schulhaus Brucheren beherbergt vom Kindergarten bis zur 6. Klasse derzeit 57 Oberlangenegger Kinder. Ueli Aeschlimann würde gerne mehr Familien begrüssen: «Das noch vorhandene Bauland gehört jedoch Privaten ohne Baufrist.» Doch sieht die kantonale Raumplanung für den Ort aufgrund seiner Lage ein jährliches Höchstwachstum von zwei Prozent vor, was die Entwicklung praktisch verunmöglicht.

Kühe, Käse und Kunsteisbahn
Sowohl «innetem» als auch «ussertem» Wald heissen die Leute häufig: Oesch, Stettler und Gerber. Die Bekanntesten im Ort sind «Oesch’s die Dritten», die Volksmusikgruppe spielt seit 25 Jahren landauf, landab. «Sie feierten im letzten Jahr ihr Bühnenjubiläum mit einem Festival bei uns in der Hot Shot Arena», erzählt der Gemeindepräsident. Der Erfolg war gross und so findet am 8./9. Juli 2023 das Hot Shot Festival mit Musikabend und Familientag zum zweiten Mal statt. Übrigens, die Hot Shot Arena ist der grosse Stolz der Oberlangenegger:innen. Die Eisbahn existiert seit den 1960er-Jahren und wird seit 1995 als Kunsteisbahn betrieben. Sie wurde vor fünf Jahren für drei Millionen Franken saniert. Auch die Gemeinde hat sich mit einem namhaften Betrag daran beteiligt. Schliesslich trainieren hier der Eishockeyclub Oberlangenegg Wolves, der HC Huskys (Nachwuchs Region Schallenberg) und weitere Vereine, sowie die SCL Young Tigers. Überhaupt verfügt die Gemeinde über ein aktives Vereinsleben.

In der «Chrüzwäg Chäsi» und in der Käserei Brucheren wird die Milch zu Käse und Milchprodukten verarbeitet. «Wir haben zudem viele schöne alte Häuser im Ort; das älteste noch bewohnte Haus ist das Schwaarhaus aus dem Jahr 1674», berichtet Aeschlimann. Es gibt zudem eine Langlaufloipe und das Skigebiet Eriz ist unweit. Im Ort sind zwei Restaurants und ein Lebensmittelgeschäft in der Käserei Brucheren.

Was war und was wird
Der Ursprung von Oberlangenegg lässt sich nicht präzis bestimmen. Die dünn besiedelte Gegend war im Mittelalter Teil der Freiherrschaft Heimberg, kam unter die Herzöge von Zähringen und gelangte 1218 an die Grafen von Kyburg. 1384 gingen alle territorialen Rechte an die Stadt Bern: sie verwaltete das Gebiet als äusseres Amt der Landvogtei Thun, im Rahmen des Freigerichts Steffisburg. Damals wurde die Gegend unisono als «Schwarzenegg» bezeichnet. Eine Urkunde des Klosters Fraubrunnen bezeugt die erstmalige Erwähnung im 1274 – also vor fast 750 Jahren. Das Wappen ist von 1938: auf grünem Boden steht eine grüne Tanne mit zwei roten Rehen. Das Sujet symbolisiert den Wald- und den Wildreichtum. Interessant: Bis 1960 wurde in Oberlangenegg Torf abgebaut und als Brennmaterial verwendet. Die Turbe war ein gefragter Brennstoff in der Industrie und in der Dampfschifffahrt auf dem Thunersee. Vielerorts erinnert noch die schwarze Ackererde an das einstige Moor.

Ueli Aeschlimann hat eine Vision für Oberlangenegg: «einen absehbar auf 1.85 gesenkten Steuerfuss.» Ausserdem soll der neue Ortsverein das hiesige Kulturgut fördern und beleben. Sein Anliegen liegt aber auch auf dem verstärkten Zusammenrücken der Leute aus «innertem und ussertem Wald». Im Vergleich zu früher sei zwar schon viel mehr Einheit da. Das wird sich noch mehr ergeben, ist er überzeugt; und: «Eine Fusion wird vielleicht dann von der nächsten Generation umgesetzt. Barbara Marty


Zahlen und Fakten
Gemeinde: 3616 Oberlangenegg
Einwohner: 467
Fläche: 929 ha
Wald: 446 ha
Höchster Punkt: 1424 Meter über Meer
Steuerfuss: 1.95
www.oberlangenegg.ch


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