Zentrumsgemeinde im oberen Gürbetal

  11.01.2024 Reportagen

Fast zum Schluss unserer Porträt-Serie unterhielten wir uns mit dem jüngsten Gemeindepräsidenten im Verwaltungskreis: Der 35-jährige Manuel Liechti steht Wattenwil seit 2021 vor. Lebhaft erzählte er von seiner starken Verbundenheit mit dem Dorf, den Menschen und ihren Themen.

Diesem Dorf eilt ein gewisser Ruf voraus. Allem voran wird ihm oder vielmehr seinen Bürger:innen nachgesagt, sie seien ein gar feierlustiges Völklein. Dazu gibt es eine historische Anekdote, die anlässlich des Jubiläums von 150 Jahre Ortsverein im Jahr 2016 wieder hochkam: So erzählt die Geschichte von grosser Armut und grassierendem Alkoholismus im Ort. Wegen letzterem mussten die Apfel- und Birnbäume entlang der Strassen in die Nachbardörfer weichen. Weil die Wattenwiler deren Früchte verschnapst haben. Das ist jetzt schon lange her und die alten Erzählungen sollte man nicht wieder hervorkramen. Doch gehört es zur Aufrichtigkeit der Wattenwiler:innen, dass sie zu allen ihren Geschichten stehen. Dank ausgeprägtem Gemeinschaftssinn konnte das Blatt längst gewendet werden.

«Wir feiern auch heute gerne», lacht Gemeindepräsident Manuel Liechti und erwähnt sogleich die rund 30 Vereine, die vieles zum aktiven Dorfleben beitragen und Aktivitäten und Feiern organisieren. Es finden nebst kleineren Anlässen auch Grosse statt: «An unserer Bundesfeier am 31. Juli kommen bis zu 600 Menschen zusammen und feiern bis spät.» Recht so, denn der 1. August ist ein gesetzlicher Feiertag und die meisten müssen nicht zur Arbeit. Die typischen Wattenwiler:innen hängen sehr am Traditionellen, weshalb es den Gemeindepräsidenten besonders freut, dass die Verschiebung der Bundesfeier so gut angenommen wurde. Sie sind Neuem gegenüber häufig skeptisch eingestellt. Was gut läuft, will man erstmal lieber nicht ändern, so lautet die Devise.

Manuel Liechti ist hier geboren, aufgewachsen und geblieben. Er ist ein Herzblut-Wattenwiler mit einer grossen Verwandtschaft im Ort. Mittlerweile ist er verheiratet und Vater eines zweieinhalbjährigen Sohnes. Er weiss: «Der Moderne zuliebe vieles zu verändern ist hier nicht angesagt.» Und mit einem breiten Lachen fügt er hinzu, dass einige behaupten: Bevor man nicht 20 Jahre im Ort gelebt habe, sei man kein:e Wattenwiler:in. Neulich wurde die Aussage getoppt, indem jemand augenzwinkernd verlauten liess, man müsse wohl dazu erst Burger:in sein. Die Wattenwiler:innen sind mit ihrem Dorf sehr verbunden und laut Liechti hilfsbereit, feierlustig und aufrichtig. Viele heissen Bähler und Krebs. Und: Es gibt ein Dorfmuseum und ein Spielzeugmuseum.

«E chli zangge u när wieder vertrage», so meint er, das mögen wir. Es herrsche aber grundsätzlich Gutmütigkeit, und er bringt dazu ein Beispiel aus einer Gemeindeversammlung, als ihn jemand gehörig, ja fast «uflätig» kritisiert habe. Nach der Zusammenkunft fragte ihn dieselbe Person, ob sie gemeinsam noch einkehren würden. Leicht konsterniert und etwas belustigt sagte er natürlich zu. Liechti mag sein Amt: «Ich liebe es, mich über Herausforderungen zu unterhalten, denn ich habe schon immer gerne mitgewirkt und mitentschieden.» Politisch engagierte er sich erstmals mit 16 Jahren. Seit 2013 ist er im Gemeinderat vertreten und war bereits als 18-jähriger Gymeler in der Finanzkommission tätig.

Seit 2021 ist er Gemeindepräsident von Wattenwil. Bei der Gemeinde ist er dazu in einem 40-Prozent-Pensum angestellt. Daneben kümmert er sich im Fliesen- und Bodenbelagsbetrieb von Vater und Onkel um das Kaufmännische. «Ich bin der emotionale Typ, weniger der Stratege – somit bin ich kein typischer Politiker oder Parteimensch», so Liechti. Ihm gefällt es in der Kommunalpolitik, weil es um die Sache und um den Ort geht. Dafür hilft er nach bestem Wissen und Gewissen mitentscheiden und wertschätzt: «Hier sind die Resultate auch mal sicht- und spürbar.» Manuel Liechti hat zudem politisch ein langfristiges Ziel: «Es ist mein Wunsch, einmal in den Grossrat zu kommen.»

Dorfgeist und Moderne im Einklang
Die Gemeinde teilt sich in zwei Teile: Das flache Gebiet in der Talsohle – Gürbeschwemmgebiet – mit dem Dorfkern und den Ortsteilen Gmeis und Mettlen bildet einen Kontrast zum erhöhten Ortsteil Rain mit dem Grundbach. Die Gürbe bietet lauschige Lieblingsplätze für Viele, so auch für den Gemeindepräsidenten. Da kommt Liechti leicht ins Schwärmen und betont die allseits schöne Landschaft mit Naherholung direkt vor der Haustür. An der Gürbe geniesst er die Ruhe des Wassers und den Blick auf die Berge oder er wandert auf die Stafelalp, von wo die Sicht sogar bis zum Thunersee reicht. «Wir haben einfach kein Meer, sonst haben wir alles», meint er lachend.

Die Gürbe bedingt aber auch Hochwasserschutz: «Da wir einem Jahrhundertereignis nicht mehr standhalten können, müssen wir etwas machen», so der Gemeindepräsident. Darüber wird man bald diskutieren. Im 2024 stehen nebst dem Einführen der Schulsozialarbeit mit jährlichen Kosten von zirka 60’000 Franken, Massnahmen aus dem Verkehrsrichtplan auf dem Programm. Diese betreffen etwa Farben, Schilder, Temporeduktionen. Ausserdem konnte der Nachkredit für die Sanierung der Gemeindeverwaltung eingeholt werden. Schliesslich stehen der Neubau und die Sanierung der Turnhalle auf dem Programm.

Apropos Bauen: Wer ein Haus baut, kann dies mit örtlichen Unternehmen realisieren. Zudem gibt es viele Kleingewerbebetriebe, Dienstleistungen und Top-Einkaufsmöglichkeiten, sowie einige Restaurants. Der ÖV ist relativ gut erschlossen: «Zumindest kommt man heute mit der stündlichen Busverbindung fast bis Mitternacht nach Thun und wieder zurück», lacht Liechti. Auch das Strassennetz sei gut, obschon: «da si mir o gärn am Schtürme.» In der Vergangenheit wurde rege gebaut. Doch das ist vorbei: «Wir werden nicht mehr so stark wachsen, auch mit dem Bauland, das wir dann noch haben.» Für die Zukunft wünscht er sich, dass Wattenwil weitgehend so bleibt und auch für künftige Generationen noch attraktiv ist. Als Digitalfan ist er trotzdem überzeugt, das Zusammenleben unter den Menschen geschieht analog. So wünscht er sich: «eine Beiz mehr – das würde unserem Dorf guttun.»

Barbara Marty


Zahlen und Fakten
Gemeinde: 3665 Wattenwil
Einwohner:innen: 3208
Fläche: 1452 ha
Wald: 705 ha
Höchster Punkt: 1310 Meter über Meer

oberer Gurnigelwald
Steuerfuss: 1.94
www.wattenwil.ch


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